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Kriminalität sinkt, aber Furcht in Bevölkerung steigt  
  Die Zahl der Morde in Deutschland ist drastisch gesunken, ebenso die Zahl der Autodiebstähle. Dennoch nimmt die Furcht der Deutschen vor der Kriminalität zu. Der Jurist Christian Pfeiffer macht dafür eine Spirale aus privaten Medien, Bürgermeinung und der darauf hörenden Politik verantwortlich.  
Im Magazin "Bild der Wissenschaft" (Märzausgabe) analysiert der Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen in Hannover die Entwicklung.
Auseinanderklaffen von Realität und Wahrnehmung
Die Zahl der Sexualmorde ist zwischen 1993 und 2003 um 37,5 Prozent zurückgegangen, die der Morde sogar um 40,8 Prozent, schreibt "Bild der Wissenschaft" unter Berufung auf die Polizeiliche Kriminalstatistik.

Die Zahl der Autodiebstähle sank gar um 70,5 Prozent. Nach Meinung der Bevölkerung dagegen habe die Zahl der Sexualmorde um 260 Prozent, die der Morde um 27 Prozent zugelegt.
Immer mehr Krimi-News führen zu mehr Angst
Vier Entwicklungen seien für die Fehleinschätzung verantwortlich: Mit Zulassung der Privatsender sei die Zahl der kriminalhaltigen Nachrichten und Sendungen drastisch angestiegen. Daraufhin habe sich die Bürgermeinung verfestigt, dass die innere Sicherheit immer schlechter werde.
Strafe statt Resozialisierung
Bei Jus-Studenten und Juristen sei der Gedanke an Resozialisierung verschwunden und die Abschreckung sei zum Sinn staatlichen Strafens erhoben worden. Den Trieb des Menschen nach Vergeltung befriedige die Politik durch schärfere Gesetze.

Dabei hätten dutzende Untersuchungen nachgewiesen, dass härtere Strafen nicht von einer Untat abhalten. Nach einer Übersichtsstudie des Rechtswissenschaftlers Olaf Hohmann von der Berliner Humboldt Universität wirkt eine hohe Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, viel abschreckender als das Strafmaß.
Ausländer besonders betroffen
Besonders problematisch ist laut Pfeiffer der Umgang mit Ausländern. "Wenn ein Deutscher von einem Deutschen verprügelt wird, zeigt er das in 20 Prozent der Fälle an. Wird ein Deutscher von einem Ausländer geschlagen, meldet er das zu 30 Prozent bei der Polizei."

Auch Richter seien in diesem Sinne parteiisch. Deutsche Richter hätten bei deutschen Angeklagten im Strafmaß nur geringfügig, bei Ausländern aber massiv zugelegt.
Bildungseinrichtungen wichtiger als Gefängnisse
Die Politik frage zudem nicht mehr "Was brauchen wir, um mehr Sicherheit zu haben?" sondern "Was brauchen wir, um die Kriminalitätsfurcht der Bevölkerung zu bekämpfen?".

Die Zukunft des Landes liege jedoch nicht im Ausbau von Gefängnissen, sondern im Ausbau von Jugend- und Bildungseinrichtungen, die auch einen vorbeugenden Nebeneffekt haben, sagte Pfeiffer.

science.ORF.at/APA/dpa, 15.2.05
->   Bild der Wissenschaft
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01.01.2010