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Wie Ecstasy im Gehirn wirkt  
  Ecstasy, Ice und Speed gelten seit Anfang der 1990er Jahre als Modedrogen. Ihr Effekt beruht u. a. darauf, dass ihre chemische Struktur jener von Botenstoffen des menschlichen Nervensystems ähnelt. Wiener Mediziner haben den Wirkmechanismus nun genauer untersucht. Ecstasy und Co bewirken ihnenzufolge die Freisetzung so genannter Neurotransmitter durch ein ausgeklügeltes Zusammenspiel zellulärer Komponenten: Ein Enzym bewirkt dabei, dass zwei an sich gleichartige Transportproteine gegenläufig arbeiten.  
Harald Sitte, Michael Freissmuth und ihr Team vom Pharmakologischen Institut der Medizinischen Universität Wien haben ihre Studienergebnisse in der Fachzeitschrift "Molecular Pharmacology" veröffentlicht.

Ihre Resultate stehen im Kontrast zu bisherigen Annahmen, wonach einzelne Transportproteine im Alleingang für die Freisetzung von Neurotransmittern durch derartige Drogen verantwortlich seien.
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Die Studie "Amphetamines Take Two to Tango: an Oligomer-Based Counter-Transport Model of Neurotransmitter Transport Explores the Amphetamine Action" ist in "Molecular Pharmacology" (Bd. 67, S. 140, Ausgabe vom Jänner 2005) erschienen.
->   Abstract in "Molecular Pharmacology"
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Verstärkte Ausschüttung von Serotonin
Die Wirkung von freigesetzten Nervenbotenstoffen - so genannten Neurotransmittern wie z.B. Serotonin - an den entsprechenden Rezeptoren ("Serotonin erregt den Serotonin-Rezeptor") wird dadurch beendet, indem sie über bestimmte, dazu passende Serotonin-Transportproteine durch die Membran der selben Nervenzellen in deren Inneres geschleust werden.

Im Falle des Gebrauchs von "Ecstasy & Co" kommt es bei den Konsumenten zu einer stärkeren Ausschüttung des "Glückshormons" Serotonin durch den Serotonin-Transporter.
Wirkmechanismus komplexer als bisher gedacht
Bisher glaubte man, dass bei den aufputschend wirkenden Substanzen einzelne dieser Eiweißstoffe im Alleingang durch die Freisetzung von Neurotransmittern ihren Effekt entfalten. Doch laut dem Forschungsteam um Harald Sitte und Michael Freissmuth ist die Sache komplizierter.

Die Wiener Wissenschaftler untersuchten diese Abläufe im Detail. Demnach greifen die Aufputschmittel in den Transport von Serotonin, im speziellen in die Wirkung der Serotonin-Transporter-Proteine (SERT).
->   Mehr über Ecstasy (Wikipedia)
Umkehr der Transportrichtung
Sitte: "Auf Grund ihrer ähnlichen Struktur konkurrieren die Amphetamine mit Neurotransmittern um den Platz an den Transportproteinen. Paradoxerweise ist es aber nicht diese Konkurrenz, die für die Wirkung der Amphetamine verantwortlich ist, sondern ein anderes, bisher wenig verstandenes Phänomen - die Amphetamine bewirken die Freisetzung von natürlichen Neurotransmittern, also eine Umkehr der Transportrichtung."
Anregung in den Synapsen
Bild: Harald H. Sitte
Vereinfachtes Modell für das Zusammenwirken zweier Serotonin-Transporter und des Enzyms Proteinkinase C während des Amphetamin-Serotonin-Transports.
Demnach kommt es bei einer geringen Konzentration von Amphetamin zunächst zur Aktivierung eines von zwei Serotonin-Transporter-Proteinen, die an der Zelloberfläche als Komplex miteinander verbunden vorliegen. Über diese durch die Zellmembran reichenden Strukturen gelangt die Substanz in die Zellen.

In der Folge kommt es zu einer Aktivierung des Enzyms Proteinkinase C, das die zweite - bis dahin nicht aktive - Untereinheit des Serotonin-Transporterprotein-Komplexes in Gang setzt.

Erst damit wird die Freisetzung dieses "Glückshormons" ermöglicht. Seine Konzentration im Spalt zwischen zwei Nervenzellen (synaptischer Spalt) wird dadurch drastisch erhöht und der "anregende" Effekt ist da.
Doppelschlag der Proteine
Sitte: "Die Wirkung der Amphetamine ist also quasi auf ein Pas de deux zweier Proteine angewiesen, für die eine enge räumliche Nähe Voraussetzung ist."

Die Forschungsarbeit wurde vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützt. Die Resultate könnten auch einen neuen Ansatz für die Suche nach Therapien gegen psychische Störungen wie Depressionen und Angstzustände darstellen.

[science.ORF.at, APA, 21.2.05]
->   FWF
->   Medizin-Uni Wien
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Ecstasy kann zu tödlichem Hitzeschlag führen (30.8.01)
->   Ecstasy: Die Zukunft vergessen (30.3.01)
 
 
 
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01.01.2010