News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Erbgut der Ruhr-Amöben entziffert  
  Millionen Menschen erkranken jährlich an Amöben-Ruhr. Einem internationalen Forscherteam mit österreichischer Beteiligung gelang es nun, das Erbgut ihres Erregers zu entziffern. Mit dem Wissen um die rund 24 Millionen DNA-Basenpaare sollen bessere Medikamente bzw. sogar Impfungen gegen die gefährliche Krankheit möglich werden.  
Insgesamt 16 Institute und Forschungseinreichtungen aus aller Welt haben unter der Leitung des amerikanischen Institute for Genomic Research (TIGR) zusammengearbeitet, darunter auch Michael Duchene und seine Mitarbeiterin Margit Hofer vom Institut für spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der Medizinischen Universität Wien.

Von der Enzifferung des Genoms der Ruhr-Amöbe (Entamoeba histolytica) berichten sie in "Nature".
...
Die Studie "The genome of the protist parasite Entamoeba histolytica" ist in "Nature" (Bd. 433, S. 865, Ausgabe vom 24. Februar 2005) erschienen.
->   Original-Abstract in Nature
...
100.000 Menschen sterben jährlich durch Amöbe
Weltweit werden pro Jahr rund 50 Millionen Menschen von den Amöben über kontaminiertes Wasser oder Lebensmittel infiziert. Etwa 100.000 Menschen sterben an der Erkrankung. Amöben überleben im Darm der Infizierten und weichen dem menschlichen Immunsystem aus.

Neben der akuten Ruhr mit teilweise lebensgefährlichem Durchfall kann es auch zu gefährlichen Leberabszessen und schwersten Darmkomplikationen kommen.
Einzeller-Parasiten, die im Darm leben
Jetzt gibt es erstmals die Möglichkeit, die Amöben im Detail und auf genetischer Ebene zu erforschen. "Wir präsentieren das Genom von E. histolytica, das eine ganze Reihe von Adaptionen ihres Stoffwechsels (an ihre Umwelt, Anm.) zeigt ...", schreiben die Autoren.

Die Erreger der Ruhr sind Einzeller-Parasiten, die im Darm von Menschen leben. Bisher glaubte man - so eine Ausendung von TIGR zu der Veröffentlichung - dass es sich bei ihnen um sehr primitive Lebewesen handle. Sie weisen nämlich zum Beispiel keine Mitochondrien, also "Zellkraftwerke" und andere Zellorgane auf, wie sie höhere Zellen haben.
...
Grundlangenforschung aus Wien
An der Entschlüsselung des Amöben-Genoms war auch eine Arbeitsgruppe unter Michael Duchene von der Medizin-Uni Wien beteiligt. "Wir forschen auf diesem Gebiet seit vielen Jahren. Wir haben einerseits an der Zusammenstellung der Genom-Daten mitgearbeitet, andererseits haben wir mit unserem Wissen über bei den Amöben vorkommende Enzyme die aus den USA und Großbritannien kommenden Sequenzdaten ergänzt", erklärte Duchene.

So wichtig auch die Erforschung der Amöben sei, stoße man dabei auch auf Schwierigkeiten: "Obwohl von Zeit zu Zeit auch bei uns manchmal eine Person vor allem nach einer verschleppten E. histolytica-Infektion sterben kann, misst man dem Problem auch international nicht die allergrößte Bedeutung zu. Wenn wir den Forschungsförderungsfonds FWF nicht hätten, wären Arbeiten wie unsere hier in Wien nicht möglich," so Duchene.
->   Medizin-Uni Wien
...
Hoffen auf neue Medikamente
Neil Hall von TIGR über ein Spezifikum der Krankheitserreger. "Diese Amöbe hat ganz sicher Gene, die es seine Umgebung erfassen und auf diese Reize reagieren lassen." Bekannt seien nun die Gene, welche für die Oberflächenmerkmale und somit für die mangelnde Immunantwort des Menschen gegen sie verantwortlich sein dürften.

Schließlich wurden zahlreiche Enzyme identifiziert, die nur bei den Ruhr-Erreger vorkommen. Sie könnten durch neue Medikamente spezifischer attackiert werden als durch die herkömmlichen Antibiotika, die nur eine begrenzte Wirkung haben.

[science.ORF.at, APA, 24.2.05]
->   Entamoeba histolytica (Wikipedia)
->   The TIGR Entamoeba histolytica Genome Project
->   science.ORF.at-Archiv zum Thema Erbgut-Entzifferung
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010