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ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Uraltes Leben tief unter dem Meeresboden  
  Rund siebzig Prozent der Erdoberfläche besteht aus Ozeanen: Die darunter liegenden marinen Sedimentgesteine beherbergen mehr als die Hälfte aller Mikroorganismen. Ob tief unter dem Meeresboden aber Leben vorhanden ist, war lange umstritten. Nun hat die Auswertung der Daten eines internationalen Forscherteams gezeigt, dass Bohrkerne aus dem östlichen Pazifik tatsächlich lebendige Bakterien enthalten.  
Wie das Team um Axel Schippers von der deutschen Bundesanstalt für Geologie und Rohstoffe in "Nature" berichtet, konnten lebendige Zellen in bis zu 16 Millionen Jahre alten Sedimenten aufgespürt werden.

Die Forscher zeigten mit empfindlichen Nachweistechniken erstmals, dass in den reichlich vorhandenen Zellen ein wichtiger Bestandteil allen Lebens vorkommt: die sehr instabile ribosomale RNA.
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Die Studie "Prokaryotic cells of the deep sub-seafloor biosphere identified as living bacteria" ist in "Nature" (Bd. 433, S. 861, Ausgabe vom 24. Februar 2005) erschienen.
->   Original-Abstract in Nature
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Ribonukleinsäure entdeckt
Bild: Nature
Unter dem Meeresboden
entdeckte Bakterien
In den oberen Schichten der Bohrkerne fanden die Forscher laut einer Aussendung der Max-Planck-Gesellschaft bei einer Ausfahrt mit dem Forschungsbohrschiff Joides Resolution 100 Millionen Zellen pro Milliliter. In 400 Metern Tiefe immerhin noch 100.000 Zellen.

Die Wissenschaftler standen jedoch vor dem Problem zu unterscheiden, ob es sich bei diesen Zellen um lebendige oder tote handelt. Schippers und Kollegen gelang es, mit zwei hochempfindlichen Methoden einen Zellbestandteil nachzuweisen, der nur in lebenden Zellen zu finden ist: ribosomale RNA (Ribonukleinsäure).

Diese RNA-Moleküle sind Bestandteil des Proteinsyntheseapparats und damit lebensnotwendig für alle Arten von Zellen. Am Ribosom entstehen wie am Fließband neue Proteine und Enzyme, die die Zelle zum Leben braucht.
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Card-Fish-Technik und Polymerase-Chain-Reaction
Verwendet haben die Forscher die "Card-Fish-Technik" und die quantitative Polymerase-Chain-Reaction (Q-PCR), die zu den empfindlichsten Methoden zählen, mit denen man lebende Zellen nachweisen kann. Beide nutzen die spezifische Bindung eines kurzen Stücks einzelsträngiger DNA an die in den Mikroorganismen vorhandenen Sequenzen auf der ribosomalen RNA, so die Max-Planck-Gesellschaft.
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Zehn bis 30 Prozent aller Zellen lebendig
Bei den Bohrkernen im östlichen Pazifik sind laut den Analysen mindestens zwischen zehn bis 30 Prozent aller Zellen lebendig. Schippers und Kollegen gelang es auch, die Tiefenverteilung der Spezies an verschiedenen Standorten zu vergleichen.

An den Ozeanrändern fanden sie deutlich mehr Bakterien als Archaeen, die typischen Einzeller der extremen Standorte. Je tiefer sie bohrten, umso geringer wurde der Anteil an Archaeen.
Ähnliches Verhalten wie auf dem Meeresboden
Von anderen Messungen am selben Bohrkern schätzten die Forscher, wieviel Biomasse im Meeresboden neu entsteht. Zusammen mit der Anzahl lebendiger Zellen konnten sie berechnen, wie lang ihre Verdopplungszeit ist.

Zu ihrer Überraschung teilen sich die Bewohner der Tiefe genauso schnell wie ihre auf dem Meeresboden lebenden Vettern. Je nach Art kamen sie auf Werte von einem Viertel Jahr bis zu 22 Jahren. Sie wachsen langsam, aber im geologischen Zeitrahmen spielen sie eine wichtige Rolle.
Produzieren Treibhausgas Methan
Bleibt die Frage, wie die Bakterien so tief unter den Meeresboden gelangen konnten. Die wahrscheinlichste Erklärung ist, dass sie vor Jahrmillionen mit dem Gestein begraben wurden.

Weiters interessant scheint der Umstand, dass die Mikroorganismen bedeutende Mengen an Methan produzieren - und zwar durch einen Stoffwechsel, der nicht auf Sauerstoff beruht.

Welche Auswirkungen das wiederum auf die Klimaerwärmung haben könnte - Methan zählt zu den Treibhausgasen - ist noch unklar.

[science.ORF.at, MPG, 25.2.05]
->   Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Hannover
->   Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie, Bremen
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Exotische Lebensformen unter Mittelmeer entdeckt (9.1.05)
->   Forscher kultivieren viereckige Bakterien (12.10.04)
->   Glaubenskrieg um die Existenz von Nanobakterien (19.5.04)
->   Mikroorganismen aus der Stratosphäre (17.12.02)
 
 
 
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01.01.2010