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Lohndifferenz: Zwölf Prozent als "harter Kern"  
  Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern sind nur zum Teil durch Unterschiede in der Ausbildung oder der Tätigkeit zu erklären. Wie eine deutsche Studie zeigt, verdienen Frauen bei gleicher Ausbildung, gleichem Alter, gleichem Beruf und im gleichen Betrieb immer noch zwölf Prozent weniger als Männer.  
Im Durchschnitt war der Lohn 2001 von vollzeitbeschäftigten Frauen in den alten Bundesländern in Deutschland um etwa 24 Prozent geringer als jener von Männern. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ist den Ursachen dieses Lohnunterschieds nachgegangen.
Gleicher Beruf, 22 Prozent weniger Gehalt
Neben bereits bekannten Fakten - etwa, dass Frauen häufiger in Berufen oder Betrieben arbeiten, in denen ein unterdurchschnittlicher Lohn bezahlt wird - förderte das IAB auch überraschende Einsichten zu Tage: Dazu gehört, dass Frauen auch innerhalb des gleichen Berufes im Durchschnitt um 22 Prozent weniger verdienen als Männer.

Anders als oft vermutet wird, ist der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen also weniger ein Unterschied zwischen "Frauenberufen" und "Männerberufen", sondern ein Unterschied innerhalb von Berufen. Zwischen Männern und Frauen mit gleichem Beruf im gleichen Betrieb besteht noch ein Lohnunterschied von 15 Prozent.
Gleiche Umstände: Zwölf Prozent weniger
Unterschiede in der Ausbildung und dem Lebensalter spielen bei den Lohnunterschieden ebenfalls eine Rolle. Wenn Personen mit gleicher Ausbildung und gleichem Alter im gleichen Betrieb verglichen werden, beträgt der Lohnunterschied aber immer noch etwa 12 Prozent.

"Im internationalen Vergleich ist dies recht hoch. Forschungsergebnisse aus den USA und Skandinavien zeigen, dass dort so gut wie keine geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede im gleichen Beruf und im gleichen Betrieb zu finden sind", bemerkt der IAB-Forscher Hermann Gartner, der die Studie gemeinsam mit dem Soziologen Thomas Hinz von der Universität Konstanz durchgeführt hat.
->   Die Original-Studie als Download (.pdf)
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Österreich: 21 Prozent Lohndifferenz
Zwar gibt es für Österreich keine Studie, die das Einkommen von Frauen und Männern nach Alter, Ausbildung und Betrieben ähnlich genau wie die deutsche Untersuchung aufschlüsselt, eine aktuelle Analyse von Rechnungshof und Statistik Austria zeigt aber, dass die Lohnschere auch hierzulande noch weit auseinander geht. Wenn man Voll- und Teilzeitbeschäftigte zusammenrechnet, verdienen die Österreicherinnen um 40 Prozent weniger als ihre Kollegen.

Und selbst wenn nur die ganzjährig tätigen Vollzeitarbeitskräfte berücksichtig werden, bekommen Frauen um 21 Prozent weniger ausbezahlt als Männer. Das durchschnittliche Frauengehalt beträgt demnach 25.360 Euro, jenes der Männer 32.160 Euro.
->   RH-Bericht über Einkommensverhältnisse in Österreich (.pdf)
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Gründe: Überstunden, Hierarchien, Unterbrechungen
Die Gründe für den Lohnunterschied in Deutschland orten die Forscher zum Teil in der höheren Bereitschaft von Männern zu Überstunden. Nachdem sie großteils keinen zusätzlichen Betreuungspflichten nachkommen müssen, gelten sie als für den Betrieb "problemloser" verfügbar, was wiederum höher entlohnt wird.

Auch seien innerhalb der Berufe hierarchische Abstufungen denkbar: So können etwa auch bei gleichem Beruf Männer häufiger als Frauen Gruppenleiter sein und daher besser entlohnt werden.

Die Arbeitsmarkt-Experten nehmen zudem an, dass ein deutlicher Teil des Lohnunterschieds durch Erwerbsunterbrechungen zu erklären sei, etwa wegen einer Erziehungspause. Diese sind bei Frauen häufiger zu beobachten und mindern die Berufserfahrung und damit den Lohn.
Betriebe reflektieren Gesellschaft
"Trotz der immer höheren, formalen Qualifikation von Frauen hat sich an den Rahmenbedingungen der Erwerbsarbeit im Untersuchungszeitraum wenig verändert", heißt es in der Studie. Das Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen ist zwar gestiegen, reicht aber bei weitem nicht aus, um die Erwerbsarbeit mit Familien- und Erziehungstätigkeiten problemlos zu vereinbaren.

Die betrieblichen Entscheidungen, Frauen weniger zu entlohnen, dürften so durch gesellschaftliche Institutionen verstärkt werden.
Strukturelle Mechanismen
Trotz erhöhtem normativen Gleichstellungsdruck entstehe noch keine Angleichung der Karriere- und Entlohnungschancen. Die geringere Entlohnung von Frauen beruhe weniger auf finanzieller Ungleichbehandlung im Einzelfall, sondern vor allem auf strukturell angelegten Mechanismen, die Frauen seltener als Männer in besser bezahlte Positionen gelangen lassen, schlussfolgern die deutschen Forscher.
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USA: Erfolge mit Androhung rechtlicher Konsequenzen
In den USA ist die Diskussion um die Lohndifferenz mit rechtlichen Folgen des Diskriminierungsverbots verknüpft. In den USA achten Betriebe stärker auf Lohngleichheit, da mögliche Lohnunterschiede in Zivilklagen gegen die Unternehmen verwendet werden können.
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Pflicht zum Erziehungsurlaub für beide Elternteile denkbar
Weiter reichende gesetzliche Maßnahmen wären aufgrund der schlechteren Entlohnung von Frauen für Hermann Gartner und Thomas Hinz zu rechtfertigen. Sie schlagen Regelungen vor, welche die Erwerbsunterbrechungen gleichmäßiger auf Frauen und Männer verteilen - etwa indem gesetzlicher Erziehungsurlaub von beiden Elternteilen in Anspruch genommen werden muss.

[science.ORF.at/idw, 28.2.05]
 
 
 
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01.01.2010