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Vor "25 Peaces"-Start: Macher wehren sich gegen Kritik  
  Mit der Einrüstung der beiden Reiterdenkmäler auf dem Wiener Heldenplatz machen derzeit die "25 Peaces" genannten Projekte im öffentlichen Raum zum Jubiläumsjahr 2005 erstmals auch optisch auf sich aufmerksam. Am 12. März startet die Gedenkreihe mit einer Licht- und Toninstallation auf vier Wiener Plätzen, mit der des verheerendsten Bombenangriffes im Jahr 1945 auf Wien gedacht werden soll.  
"Der 12. März ist ein wichtiger Abend, ein erster Test für das, was wir tun", meint "Graz 2003"-Gestalter Wolfgang Lorenz. Gemeinsam mit dem Bundestheater-Holdingchef Georg Springer hat er die "25 Peaces" konzipiert.
Bereits im Vorfeld heftige Kritik
Bild: APA
Eingerüstetes Erzherzog Karl-Denkmal
auf dem Heldenplatz in Wien.
Die beiden wollen aus Anlass des Jubiläumsjahres u. a. Kühe vorm Belvedere grasen und am Heldenplatz Gemüse pflanzen lassen oder neun nachgebaute Belvedere-Balkone auf Reisen schicken, von denen die Österreicher "Österreich ist frei!" rufen können ("dass Figl die Worte im Marmorsaal gesagt hat, haben wir gewusst").

Bereits Monate vor Start der Projektreihe hatte es in mehreren Medien scharfe Kritik an den Vorhaben gegeben - u. a. daran, am 13. März am Heldenplatz mit weißen Kreuzen der NS-Opfer gedenken zu wollen, was jüdische Opfer nicht adäquat repräsentiere.

Dieses Projekt wurde geändert und wird nun eine neue Symbolik verwenden, welche wird man "am 13. März sehen" wird. Die Verwendung von Kreuzen hätte "etwas erzeugen können, was wir in keinem dieser Projekte wollen: Verletzen ist einfach nicht geplant".
->   Gedenkjahr: Doch keine Kreuze am Heldenplatz (23.2.05)
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Doch keine "McCare-Burger"
Ein weiteres umstrittenes "Peace" hat sich inzwischen wegen Differenzen mit dem Sponsor zerschlagen: Ursprünglich hätte es von McDonald's vertriebene "McCare"-Pakte geben sollen, mit Burger und "25 Peaces"-Programm.

McDonald's habe jedoch "Wünsche und Begehrlichkeiten" entwickelt, die "sehr kommerziell waren" und sich "mit unserer Fassung nicht mehr vereinbaren ließen", so Lorenz zur Absage. "Das hat uns getroffen."
->   Die ursprünglichen Pläne von "25 Peaces" (28.1.05)
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Konstruktionsfehler des Gedenkjahrs: Kein Konsens
Warum aber jetzt die viele Vorschuss-Aufregung über die Projekte, denen von "Verhöhnung" ("Presse") über "Unsinn" und "Gedenken im Geist der Opfertheorie" ("Standard") bis zu "originalitätsfokussierter Oberflächlichkeit" ("profil") alles Mögliche vorgeworfen wurde und denen auch Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) erst nach einem klärenden Gespräch seinen Sanktus (wenn auch kein Geld) gab?

"Wir sind mit unseren Projekten auf politische Minenfelder geraten, wo Konflikte zwischen Regierung, Opposition und verschiedensten Gruppierungen ausgetragen werden", so Lorenz.

"Der Konsens zwischen den Beteiligten über die heurigen Aktivitäten ist im Vorfeld nicht erzielt worden. Das ist in der Tat ein möglicher Konstruktionsfehler des Gedankenjahres, mit dem wir aber definitiv nichts zu tun haben. Man hat uns gehaut, aber andere gemeint".
Nicht "Nachzipf der Nation"
Auch sei von den "25 Peaces" zuviel verlangt worden, etwa in der Klärung der Täter/Opferrolle Österreichs: "Wir können nicht den Nachzipf der Nation machen", so Lorenz. Vor allem in den Vorwürfen betreffend die Täter/Opferrolle - in den "25 Peaces" würden die Bombenangriffe auf Wien, aber nicht die Schuld der Wiener thematisiert - sei "offensichtlich geworden, dass in den letzten Jahrzehnten in Österreich ein Fach geschwänzt, ein Angstparavent aufgebaut worden ist. Dass man da heute quasi ab ovo diskutieren muss, zeigt zweifellos Versäumnisse auf".

Inwieweit die US-Piloten des Bombenangriffs vom 12. März Täter oder Befreier und nachher Besatzer, die Österreicher in dieser Nacht mehr Täter oder Opfer waren, "kann man nicht in einem öffentlichen Projekt in einer Nacht klären. Dass die Österreicher sich in einer sehr ambivalenten Rolle zu erinnern haben, weiß man".
Es geht um Kommunikation
Die Idee der "25 Peaces" habe gerade angesichts der entstandenen Diskussion "schon jetzt sehr gut funktioniert. Es ist das passiert, was unser Hauptziel war: Dass zwischen Pro und Contra ein Diskurs angefangen hat", so Wolfgang Lorenz.

Bei den "25 Peaces" gehe es "nicht um Kunst und auch nicht so sehr um die Projekte selbst, sondern um Kommunikation. Wir suchen die Unterhaltung - mit den Menschen". Und diesen Diskurs soll man "spüren können".
Auch Spaß soll sein
Während der großen Feierlichkeit im Belvedere, wo die Außenminister der vier Alliierten und viel Staatstragendes erwartet werden, im Garten davor grasende Kühe etwa sind nicht nur historische Reminiszenz, sondern bringen auch eine Kategorie ins Spiel, die dem Jubiläumsjahr sonst weitgehend abgeht:

"Ich verstehe nicht, warum man auf Humor und Ironie verzichten sollte. Auch könnte man sich 2005 darüber freuen, dass wir in Freiheit leben, und nicht nur Bedrückung darüber empfinden über das was war", so Lorenz.
Raus aus der Vergangenheit, rein in die Zukunft
Ist es nicht so, dass der Zweite Weltkrieg den Österreichern auch in seiner Bedeutung für die Nachkriegsrepublik für ein Abschließen noch zu präsent ist, zu viele Fragen eben noch nicht geklärt sind?

"Man muss irgendwann einmal sagen, dieser Krieg hat erfreulicherweise im mittlerweile vorigen Jahrhundert stattgefunden. Man muss auch den Jungen eine Chance geben, irgendwann aus diesem Albtraum rauszukommen und sich - wissend was passiert ist - auch davon zu emanzipieren".

Angesichts des bei solchen Aussagen schnell vorgebrachten Einwurfes des unziemlichen Abschließens mit der schwierigen Verantwortung Österreichs meint Lorenz: "So meine ich das nicht. Aber auch der Zweite Weltkrieg wird irgendwann historisiert werden müssen. Und ich meine, es ist jetzt auch an der Zeit, damit zu beginnen." Man solle sich "im Jahr 2005 auch freimachen für Zukunft".

[science.ORF.at, APA, 7.3.05]
->   25 Peaces
->   Google-Suchresultat zu "25 Peaces"
Mehr zum Gedenkjahr 2005 in science.ORF.at:
->   Österreich würdigt Widerstand in der Nazi-Zeit (19.1.05)
 
 
 
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01.01.2010