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Wenn die Musik im Gehirn weiterspielt  
  Diese Erlebnisse kennt jeder: Man hört am Morgen ein Lied im Radio und bringt es nicht mehr aus dem Kopf. Oder eine CD bleibt mitten in einem Song hängen, man weiß aber dennoch, wie die Melodie weitergehen müsste. US-amerikanische Neurologen haben nun den Sitz des musikalischen Gedächtnisses im Gehirn lokalisiert und geklärt, warum man die Musik auch dann noch hört, wenn die äußeren akustischen Reize verschwunden sind.  
Durch Magnetresonanzbilder identifizierten die Forscher vom Dartmouth College in New Hampshire einen speziellen Bereich in der Großhirnrinde, der bei der Verarbeitung von Höreindrücken besonders aktiviert wird.

Darüber hinaus konnten sie zeigen, dass bei Musik ohne Text größere Areale aktiviert wurden als bei Melodien mit Textunterlegung.
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Der Artikel "Sound of silence activates auditory cortex" von David Kraemer und Kollegen ist in der Rubrik "Brief Communications" am 10. März 2005 im Fachmagazin "Nature" erschienen (Band 434, S. 158).
->   Zum Original-Abstract
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Aus Gassenhauern individuellen Soundtrack gemischt
Um das musikalische Gedächtnis im Gehirn lokalisieren zu können, griffen die Neurologen zu wirklichen Gassenhauern: So findet sich "Satisfaction" von den Rolling Stones genauso auf der Song-Liste wie das Thema des "Rosaroten Panter".

Jedes Lied wurde von den Versuchspersonen hinsichtlich des Bekanntheitsgrads bewertet, danach wurden aus den bekanntesten Melodien individuelle Soundtracks zusammengestellt.
Zwei bis fünf Sekunden Stille ...
Für den Versuch legten sich die Probanden in einen Magnetresonanztomografen und bekamen ihren Soundtrack vorgespielt - allerdings hatten die Melodien Lücken. Für Unterbrechungen von zwei bis fünf Sekunden herrschte Stille.
... trotzdem blieb Gehörzentrum aktiviert
"Wir haben herausgefunden, dass die Menschen gar nicht anders konnten als die Melodie in ihrem Kopf weiterzuhören", beschreibt Neurologe David Kraemer in einer Presseaussendung des Darmouth College, "und als sie das taten, blieb auch das Gehörzentrum in der Gehirnrinde aktiviert."

Co-Autor William Kelley bezeichnet es als "faszinierend, dass das Gehirn aktiv bleibt, obwohl über das Ohr keine neuen akustischen Reize eingehen".
Musik ohne Text für Gehirn anstrengender
 
Bild: Nature/Dartmouth College

In ihrem Versuch fanden die Wissenschaftler auch heraus, dass verschieden große Areale für das musikalische Gedächtnis aktiviert werden, je nachdem ob eine Melodie mit oder ohne Text vervollständigt werden sollte.

Wie das Bild oben zeigt, wurden beim "Rosaroten Panter" - ein reines Instrumentalstück - weite Bereiche des auditorischen Cortex bemüht, um das Lied im Kopf weiterzuhören (Bild rechts).

Haben die Probanden eine Melodie mit Text gedanklich verlängert, mussten sie nur auf die rein assoziativ arbeitenden, "oberflächlichen" Teile des Gehörzentrums zurückgreifen (Bild links).
Text dient dem Gedächtnis als "roter Faden"
Der Text dürfte der "rote Faden" sein, mit dessen Hilfe das Gehirn fehlende Passagen mit geringerer Anstrengung überbrücken kann, schreiben die Forscher abschließend.

[science.ORF.at, 10.3.05]
->   Dartmouth College
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01.01.2010