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Erstmals Neandertaler-Protein sequenziert  
  Forscher haben erstmals aus den Knochen eines etwa 75.000 Jahre alten Neandertalers ein Protein herausgelöst und anschließend sequenziert, das heißt: seine Aminosäuresequenz bestimmt.  
In ihrer Studie sprechen die Wissenschaftler vom ältesten fossilen Protein, das jemals entschlüsselt wurde. Ähnlich wie DNA-Sequenzen können auch Aminosäuresequenzen Informationen über die genetische Verwandtschaft zwischen ausgestorbenen und lebenden Arten liefern.

Diese neu entwickelte Methode eröffnet daher eine Möglichkeit, diese Beziehungen auch bei viel älteren Fossilien, die keine DNA mehr enthalten, zu bestimmen.
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Die Studie "Osteocalcin protein sequences of Neanderthals and modern primates" von Christina M. Nielsen-Marsh et al. erschien auf der Website der "Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA" (doi:10.1073/pnas.0500450102).
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Neandertaler-Sequenz entspricht jener des Menschen
Bild: Erik Trinkaus
Der Knochenfund des Neandertalers, aus dem das Protein gewonnen wurde, stammt aus der irakischen Shanidar-Höhle (Bild rechts).

Die Wissenschaftler der Abteilung Humanevolution des Leipziger Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie haben die Sequenz des in den Neandertaler-Knochen enthaltenen Proteins Osteocalcin mit den Osteocalcin-Sequenzen lebender Primaten (Menschen, Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans) verglichen.

Das Forscherteam fand heraus, dass die Neandertalersequenz tatsächlich der des modernen Menschen entspricht.

Allerdings unterscheiden sich die Sequenzen von Neandertalern, Menschen, Schimpansen und Orang-Utans markant von denen der Gorillas und der meisten anderen Säugetiere: Auf Abschnitt neun des Proteins ist die Aminosäure Hydroxyprolin nämlich durch Prolin ersetzt worden.
Hinweis auf Einfluss der Ernährung
"Möglicherweise ist dies eine Folge der Ernährung", vermutet die Erstautorin der Studie, Christina Nielsen-Marsh.

Sie fügt hinzu: "Das zur Bildung von Hydroxyprolin benötigte Vitamin C ist in der Nahrung von Pflanzenfressern wie den Gorillas reichlich vorhanden, während es bei den Allesfressern unter den Primaten, wie z.B. Menschen, Neandertalern, Orang-Utans und Schimpansen, fehlen kann."

Daher könnte die Fähigkeit, Proteine ohne das Vorhandensein von Vitamin C zu bilden, einen Vorteil für die Primaten dargestellt haben, die diesen Nährstoff entweder selten oder gar nicht auf ihrem Speiseplan hatten.
Neue Methode für die Verwandtschaftsforschung
Im Rahmen ihrer Untersuchungen haben die Forscher erstmals eine Methode etabliert, um Proteine aus Fossilien (z.B. frühere Menschen) extrahieren und sequenzieren zu können - bisher wurde nur "alte" DNA untersucht.

In ihr ist die Bauanleitung für die Produktion von Proteinen in den Zellen verankert. Das eigentlich Wichtige sind aber in allen Stoffwechselvorgängen die Proteine.

Das eröffnet die neue und faszinierende Möglichkeit, die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen ausgestorbenen und lebenden Arten zu bestimmen und auch phylogenetische, also stammesgeschichtliche, Zusammenhänge besser zu verstehen.

[science.ORF.at/APA, 9.3.05]
->   MPI für evolutionäre Anthropologie
->   Das Stichwort Neandertaler im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010