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Einstein war eher Vollender als Revoluzzer  
  Mehr Vereinheitlicher und Vollender als Revoluzzer war Albert Einstein, das war die weitgehend einhellige Meinung eines hochkarätigen Expertenpodiums, das über Leben und Werk des Wissenschaftlers diskutierte.  
Anlass für den am Dienstagabend im RadioKulturhaus des ORF in Wien veranstalteten Science-Event ist ein wissenschaftshistorisches Jubiläum: Einstein reichte am 17. März vor 100 Jahren jene Veröffentlichung ein, welche die Quantenphysik begründete.
Spezielle Relativitätstheorie: Eine Uminterpretation
Einstein habe für die Entwicklung seiner Speziellen Relativitätstheorie, welche erstmalig in der Wissenschaftsgeschichte Raum und Zeit, Masse und Energie als Einheit beschreibt, keine einzige neue Formel verwendet.

Vielmehr habe er das vorhandene Wissen seiner Zeit uminterpretiert, was die Genialität Einsteins allerdings in keiner Weise schmälern soll, betonte Albrecht Fölsing, Physiker und Einstein-Biograf.

Einstein näherte sich dem Thema rein theoretisch, Experimente zur Lichtgeschwindigkeit oder zur Umwandlung von Materie in Energie oder umgekehrt, waren zu dieser Zeit noch in keiner Weise verwirklichbar.
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Eine Formel als Objekt der Ästhetik
Das Geniale an Einsteins Formel "E=mc2" ist für Felicitas Pauss, geborene Steirerin und jetzt Physikerin an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich, dass sie nicht nur einfach, "sondern auch schön" ist. Die Formel ist nicht zuletzt Grundlage sowohl für die Kernspaltung als auch die -fusion.
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" A practical dreamer"
Für Sylvester James Gates, Teilchen- und String-Forscher an der University of Maryland, spielte bei der Entwicklung von Einsteins Theorien auch ein guter Anteil an Phantasie mit. Einstein sei ein "practical dreamer" gewesen, so Gates wörtlich.

Wenn man die Grenzen des bestehenden Wissens erreicht, helfen nur Fantasie und Vorstellungskraft weiter. Möglicherweise bedürfte es gerade heute in der Physik eines ähnlichen Denkers wie Einstein, der sich auch auf nicht-rationale Vorgänge verlasse.

Gates arbeitet an der so genannten String-Theorie, die als möglicher Kandidat für eine alle Kräfte vereinheitlichende Weltformel gilt.
Kein isoliertes Dasein am Berner Patentamt
Nicht ganz unwidersprochen blieb die Aussage Fölsings, Einstein habe diese geniale und fantasievolle Herangehensweise 1905 und davor nur deshalb entwickeln können, weil er als Beamter des Berner Patentamtes eine gewisse Distanz vom Wissenschaftsbetrieb an den Universitäten hatte.

"Einstein war nicht der einsame Mann im Elfenbeinturm, er hatte sehr wohl gute Kontakte zu Kollegen und führte zahlreiche Diskussionen", entgegnete Wolfgang Kummer, Theoretischer Physiker an der Technischen Universität Wien.
Nur Konsequenzen der Quantentheorie abgelehnt
In der öffentlichen Meinung wird als Haupt-Leistung Einsteins meist die (Spezielle) Relativitätstheorie genannt. Aber mindestens ebenso bedeutsam war die Begründung der Quantentheorie, für die der Physiker letztendlich auch mit dem Nobelpreis belohnt wurde.

Experimentalphysiker Anton Zeilinger (Uni Wien) widersprach der oft geäußerten Ansicht, dass Einstein mit der weiteren Entwicklung der Quantentheorie durch andere Physiker "seine Probleme" hatte und die Theorie eigentlich ablehnte.

"Einstein hat nicht die Quantentheorie, sondern einige Konsequenzen davon kritisiert", betonte Zeilinger. Dazu zählt etwa die so genannte Verschränkung - eine Forschungsdomäne Zeilingers - die von Einstein auch abschätzig "spukhafte Fernwirkung" genannt wurde.
Der Charakter: Eher rabiat denn gütig
Menschlich dürfte Einstein - wie auch als Wissenschaftler - eher ein "rabiater Charakter" gewesen sein.

Der Mythos des unendlich Gütigen sei von Einsteins Nachlassverwaltern aufgebaut worden und durch Verschlusshaltung vieler Unterlagen auch lange aufrechterhalten worden. Erst nach 1987 sei etwa durch Freigabe von Briefen mehr vom wahren Wesen Einsteins bekannt geworden.

[science.ORF.at/APA, 16.3.04]
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01.01.2010