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25. Todestag: Erich Fromm, Soziologe und Moralist  
  Er wurde umschwärmt, galt als überaus gebildet und wusste Empfindungen mit Worten einzufangen: Am 18. März jährt sich der Todestag des Soziologen, Psychoanalytikers und radikalen Moralisten Erich Fromm zum 25. Mal.  
In Erinnerung geblieben ist er als ein Mann, für den Liebe nicht nur ein Wort war, sondern die Utopie schlechthin. Seine Bücher "Sein und Haben" (1976) und "Die Kunst des Liebens" (1956) wurden Millionenseller, und seine Analyse der menschlichen Seele in den Zwängen der "real existierenden Industriegesellschaft" bleibt bis heute Weg weisend.
Ausbildung als Mediziner und Psychoanalytiker
Am 23. März 1900 als Sohn eines orthodox-jüdischen Weinhändlers geboren, wuchs Erich Fromm als behütetes Einzelkind in Frankfurt auf.

Er studierte zunächst Psychologie, Philosophie und Soziologie, promovierte 1922 bei Max Webers Bruder Alfred und begann anschließend ein Medizinstudium, das er mit einer psychoanalytischen Ausbildung abschloss.
Rückkehr nach Deutschland nicht möglich
Bild: Deutsche Verlagsanstalt
Max Horkheimer, mit dem er bis zum Bruch 1939 freundschaftlich verbunden war, holte ihn bald als Privatdozent in sein legendäres Frankfurter "Institut für Sozialforschung", doch bereits im Sommer 1931 zwang ihn eine Tuberkulose-Erkrankung, für drei Jahre nach Davos zu ziehen.

Es waren, wie Fromms Nachlassverwalter und Schüler, der Tübinger Psychoanalytiker Rainer Funk, betont, seine "schlimmsten Leidensjahre", zumal er nach Hitlers Machtergreifung - als Jude wie als Marxist gleichermaßen in Gefahr - nicht mehr nach Deutschland zurückkehren konnte.
1934: Emigration in die USA, dann Schweiz
Fromm emigrierte 1934 in die USA, bekleidete dort mehrere Professuren und wechselte 1951 schließlich an die Universität von Mexiko.

Seit 1965 hatte der 1940 naturalisierte US-Bürger auch einen festen Wohnsitz bei Locarno in der Schweiz.

Dorthin übersiedelte er 1974 gemeinsam mit seiner dritten Frau Annis Freeman endgültig. Er blieb dort bis zu seinem Tod 1980.
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Humanist mit Hoffnung auf Besserung der Menschen
Fromm selbst sah sich als einen Humanisten, der auch im hohen Alter "die Hoffnung nicht aufgeben" wollte, dass sich die Menschen bessern könnten. Eine seiner großen Leistungen war es, das Individuum in den gesellschaftlichen Kontext zu stellen und "die Spaltung zwischen Herz und Hirn" zu überwinden, die er als das Resultat des "selbstsüchtigen Materialismus" der modernen Gesellschaft begriff.

So warnte er immer wieder vor krank machenden Lebensbedingungen, in denen der Mensch zur "Ware" herabgewürdigt werde, und forderte eine neue Gesellschaftsform, die nicht länger den Profit, sondern den Menschen in den Mittelpunkt stellen sollte.
->   Erich-Fromm-Gesellschaft (zahlreiche Schriften zum Downloaden)
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"Stehen auf Freuds Schultern"
Anfangs eng mit der Lehre Sigmund Freuds verbunden, gab er schließlich dessen Triebtheorie auf, um die Psychoanalyse mit den marxistischen Ideen zu verbinden und mit Impulsen aus dem jüdischen Kulturkreis zu nähren.

"Wir Psychoanalytiker der zweiten Generation", sagte Fromm einmal, "stehen auf Freuds Schultern - und darum sehen wir weiter."
Autor von Bestsellern mit Millionenauflage

Im Gegensatz zu den Kollegen in Horkheimers Institut in Frankfurt verstand es Fromm, selbst hoch differenzierte Theorien in verständliche Sprache zu kleiden.

Nicht zuletzt deshalb war vielen seiner rund 40 Werke ein enormer Erfolg beschieden.

"Die Kunst des Liebens" erreichte bis heute weltweit eine Auflage von 25 Millionen Exemplaren.

"Haben und Sein" ging nach Angaben Funks allein in Deutschland rund zwei Millionen Mal über den Ladentisch.
Umstritten: "Furcht vor der Freiheit"
Als eines seiner bedeutendsten Bücher aber gilt das 1941 veröffentlichte Werk "Furcht vor der Freiheit", in dem Fromm sowohl das Phänomen des Nationalsozialismus analysiert als auch seine Ideen des "autoritären Charakters" zusammenfasst.

Allerdings bleibt in der Fachwelt umstritten, wie groß Fromms Anteil an dessen Entdeckung und an der "Kritischen Theorie" der Frankfurter Schule war.

[science.ORF.at/APA/dpa, 17.3.05]
 
 
 
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01.01.2010