News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Babys können auch Affengesichter unterscheiden  
  Wenn Babys sehr klein sind, können sie zahlreiche Reize anscheinend mühelos unterscheiden: z. B. verschiedene Gesichter oder Bestandteile unterschiedlicher Sprachen. Normalerweise geht diese Fähigkeit nach rund neun Monaten verloren. Britische Entwicklungspsychologen haben nun gezeigt, dass ein spezielles Training dagegen hilft - den trainierten Babys gelang es, Bilder mit Gesichtern von Affen eindeutig auseinander zu halten.  
Von ihren Resultaten mit jüngstmöglichen Probanden berichten Olivier Pascalis und sein Team von der Universität Sheffield in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS).
...
Die Studie "Plasticity of face processing in infancy" erscheint zwischen dem 21. und 25. März 2005 in der "Online Early Edition" der "PNAS".
->   Der Artikel (sobald online)
...
Gesichter liefern komplexe Informationen
Von den zahlreichen Reizen, denen Babys ausgesetzt sind, zählen Gesichter zu den wichtigsten und komplexesten: Geben sie doch Aufschluss über Identität und Gefühlszustand ihrer Träger, via Blickrichtung auch über deren etwaige Intentionen.

Die Geschwindigkeit und Leichtigkeit, mit der Erwachsene diese Vielzahl an Informationen verarbeiten, hat zu der Annahme geführt, dass eigene "Schaltkreise" im Gehirn dafür verwendet werden.

Wie das internationale Psychologenteam in den "PNAS" nun schreibt, ist es bisher aber unklar, ob es sich dabei um angeborene Strukturen handelt, oder um einen spezialisierten Teil eines größeren Wahrnehmungsapparats, der auf Erfahrung beruht.
Unterscheidungsfähigkeit nimmt mit zehn Monaten ab
Dass Erfahrung eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Wahrnehmungs- und kognitiven Funktionen spielt, ist selbstverständlich.

Beispiel Sprachwahrnehmung: Im Alter zwischen sechs und zehn Monaten steigt die Fähigkeit von Babys, zwischen verschiedenen Phonemen der Muttersprache zu unterscheiden, zugleich verringert sich aber die gleiche Fähigkeit bei fremden Sprachen.
Sprachverarbeitung ähnlich Gesichtserkennung
Aktuelle Studien gehen aber davon aus, dass es bereits ausreicht, im Alter von neun Monaten Übungen mit fremden Sprachen ausgesetzt zu sein, um diese Fähigkeit jenseits der zwölf Monate zu erhalten.

Entwicklungspsychologen haben vorgeschlagen, dass ähnliches auch für die Erkennung und Verarbeitung von Gesichtern gilt. Olivier Pascalis und sein Team haben dies nun empirisch untersucht.
Unterscheidung von neuen und bekannten Affen
 
Bild: PNAS

Dazu wählten sie 18 sechs Monate alte Babys aus, denen im Verlauf von drei Monaten regelmäßig Fotos mit Gesichtern von sechs verschiedenen Berberaffen (Macaca sylvanus) gezeigt wurden.

Am Ende des Versuchszeitraums wurde ihre Fähigkeit gestestet, die Gesichter im Vergleich mit neuen Bildern unterscheiden zu können (siehe Bild) - gleiches geschah auch mit einer Kontrollgruppe von Babys ohne "Gesichtertraining".
Training hilft ...
Konkret wurde den kleinen Probanden eine Reihe von Doppelbildern gezeigt, jeweils mit einem bekannten Bild und einem neuen. Die Verweildauer der mit hochauflösenden Kameras aufgenommenen Augen auf dem einen oder anderen Bild galt als Gradmesser des Experiments.

Das Ergebnis: Die neun-Monate-Babys mit Gesichtstraining sahen die neuen Affengesichter signifikant länger an als jene, die sie bereits kannten. Im Gegensatz dazu war bei der Kontrollgruppe keine eindeutige Differenz in der Reaktionszeit auf die beiden Reize zu erkennen.
... bei Sprache wie bei Gesichtern
Daraus schließen die Forscher, dass durch gezieltes Training zwischen dem sechsten und dem neunten Lebensmonat, die Fähigkeit zur Unterscheidung (art-)fremder Gesichter über das neunte Monat hinaus gedehnt werden kann.

Ähnlich wie beim Umgang mit fremden Sprachen - deren Differenzierung nach dem neunten Monat im Normalfall deutlich schwieriger wird - können aktive Maßnahmen ergriffen werden, um diese Fähigkeit zu erhalten.

science.ORF.at, 21.3.05
->   Cognitive Development: Memory and Face Processing (University of Sheffield)
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Warum Furcht ansteckend ist (10.11.04)
->   Menschliche Eigenschaften: Ins Gesicht geschrieben? (4.10.04)
->   Die Mona Lisa "lächelt" nur mit dem Mund (23.6.04)
->   Studie: Auch Gesichter sprechen Dialekt (30.7.03)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010