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Wie sich Pflanzen mit Stickstoff versorgen  
  Während Pflanzen andere Nährstoffe über ihre Blätter leicht aufnehmen können, fällt ihnen das bei Stickstoff schwer. Wie man seit langem weiß, leben etwa Erbsen und Bohnen deshalb in einer Symbiose mit bestimmten Bakterien, die für den nötigen Stickstoff sorgen. Ein Team internationaler Pflanzenkundler hat nun die molekularen Mechanismen dafür geklärt.  
Die Forscher um Thomas Ott vom Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie konnten erstmals beweisen, dass pflanzliche Eiweiße - die so genannten Leghämoglobine - die physiologischen Voraussetzungen schaffen, damit die Bakterien molekularen Luftstickstoff binden und für Pflanzen nutzbar machen können.

Wie sie in "Current Biology" berichten, gelang es ihnen, mit der Methode der RNA-Interferenz bei der Lotus-Pflanze die Bildung von Leghämoglobin erfolgreich zu unterdrücken und damit seine Bedeutung für den Sauerstofftransport und die Sauerstoffpufferung eindeutig nachzuweisen.
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Die Studie "Symbiotic Leghemoglobins are Crucial for Nitrogen Fixation in Legume Root Nodules but not for General Plant Growth and Development" ist in "Current Biology" (Bd. 5, S. 531, 29. März 2005) erschienen.
->   Original-Abstract in "Current Biology"
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Nutzung von Stickstoff unmöglich ...
Stickstoff besitzt innerhalb der Pflanzennährstoffe eine herausragende Bedeutung, da er wesentlicher Bestandteil vieler wichtiger Verbindungen in Pflanzen ist, so zum Beispiel des grünen Blattfarbstoffes und aller Eiweiße.

Während die Pflanzen den Kohlenstoff der Luft als Kohlendioxid über die Blätter aufnehmen können, ist die Nutzung des Luftstickstoffs (N2) nicht möglich, obwohl die Luft zu 78 Prozent Stickstoff enthält.
... außer mit Hilfe von Bakterien
Pflanzen der Ordnung Leguminosen, wie z.B. Erbsen, Bohnen oder Klee, leben mit bestimmten Bakterien in einer Symbiose, die eine Nutzung des molekularen Luftstickstoffs ermöglicht. Unter günstigen Bedingungen kann auf diese Art mehr als 200 Kilogramm pflanzenverfügbarer Stickstoff pro Hektar und Jahr gewonnen und somit Dünger eingespart werden.

Seit fast 40 Jahren stehen bestimmte Eiweiße - die Leghämoglobine - im Verdacht, diese physiologische Leistung zu ermöglichen. Jetzt konnten Wissenschaftler des Max-Planck-Institutes für molekulare Pflanzenphysiologie in Golm bei Potsdam erstmalig den Beweis für die Richtigkeit dieser Hypothese erbringen.
Prinzip seit mehr als 100 Jahren bekannt
Seit Ende des 19. Jahrhunderts ist laut einer Aussendung der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) bekannt, dass an den Wurzeln von Leguminosen so genannte Knöllchen lokalisiert sind, die zur Fixierung von Luftstickstoff in der Lage sind. Ursächlich für diese Fähigkeit sind Bakterien (Rhizobien), die in die Wurzeln der Leguminosen eindringen, dort die Neubildung von Zellen, den Knöllchen, bewirken, um diese dann zu besiedeln.

Begleitet wird die Bildung und Entwicklung der Knöllchen durch das Anschalten, also die Aktivierung, knöllchenspezifischer pflanzlicher Gene.

Während die Pflanze lebensnotwendige Kohlenstoffverbindungen aus der Photosynthese an die Bakterien abgibt, erhält sie nach Etablierung funktioneller Wurzelknöllchen von den Bakterien Stickstoffverbindungen, die durch deren Fähigkeit zur N2-Fixierung aufgebaut werden konnten. Katalysiert wird der Vorgang durch das sauerstoffempfindliche Enzym Nitrogenase.
Pflanzliches Eiweiß - ähnlich wie Hämoglobin
Im Mittelpunkt der Arbeiten der Forscher stand nun Leghämoglobin: ein Eiweiß, das durch ein knöllchenspezifisches pflanzliches Gen (Nodulin) gebildet wird. Leghämoglobin dient in der Pflanze, ähnlich wie das Hämoglobin beim Menschen, dem Sauerstofftransport und der Sauerstoffspeicherung.

Die Fähigkeit zur Bindung des für Energieprozesse notwendigen Sauerstoffs ist für Leguminosen von erheblicher Bedeutung, da die Nitrogenase extrem sauerstoffempfindlich ist.
Transgene Pflanzen konnten keinen Stickstoff binden
 
Bild: MPI für molekulare Pflanzenphysiologie

Wurzelknöllchen von Lotus japonicus: Größe und Färbung der Wurzelknöllchen des Wildtypes wird hervorgerufen durch die hohe Konzentration an Leghämoglobin (links der Wildtyp, rechts die transgene Pflanze).

Mithilfe der Methode der RNA Interferenz (RNAi), durch die nicht das spezifische Gen, sondern seine funktionalen Produkte wie mRNA und Protein ausgeschaltet werden, gelang es, die Bildung von Leghämoglobin in der Modellpflanze Lotus japanicus vollkommen zu unterdrücken.

Infolge des fehlenden Leghämoglobins zeigten die Pflanzen deutlichen Stickstoffmangel, obwohl Rhizobien vorhanden und Wurzelknöllchen gebildet wurden.

Bei Düngung mit Stickstoff entwickelten sich die Versuchspflanzen genauso gut wie die ungedüngten Kontrollpflanzen. Ganz offensichtlich waren die transgenen Pflanzen nicht mehr in der Lage mit Hilfe der Bakterien Luftstickstoff zu binden.
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Abschaltung von entscheidendem Bakterien-Gen
In weiteren Untersuchungen konnten die Pflanzenphysiologen zeigen, dass einerseits der Sauerstoffgehalt in den Knöllchen erhöht war, andererseits das Enzym Nitrogenase nicht mehr nachgewiesen werden konnte. Durch das Fehlen von Leghämoglobin konnte der Sauerstoff in den Knöllchen nicht mehr abgepuffert werden, was zur Abschaltung des für die Nitrogenasesynthese zuständigen bakteriellen Genes führt. Wegen des Fehlens der Nitrogenase kann der Luftstickstoff nicht mehr fixiert werden und Stickstoffmangel tritt auf.
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Düngung kann Stickstoffmangel ersetzen
"Mit unserer Arbeit haben wir zweifelsfrei nachgewiesen, dass Leghämoglobin aufgrund seiner Fähigkeiten zur 'Sauerstoffpufferung' und zum Sauerstofftransport essenziell für die bakterielle Stickstofffixierung ist", erklärte Thomas Ott.

Keine essentielle Voraussetzung stellte es dagegen für das Pflanzenwachstum und die Pflanzenentwicklung dar: Denn Stickstoffmangelsymptome infolge der fehlenden Stickstofffixierung konnten im Experiment durch Düngung ausgeglichen werden, so die MPG.

[science.ORF.at/MPG, 29.3.05]
->   Mehr über Leguminosen (Uni Hamburg)
->   Geschichte und Verbreitung der Leguminosen (Uni Giessen)
->   Mehr über Hülsenfrüchtler (Wikipedia)
->   Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie
 
 
 
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01.01.2010