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Feinstaub: "Saurer Regen" für die Lunge  
  Feinstaub kann auch unterhalb der geltenden Grenzwerte Erkrankungen der Atemwege verursachen. Mediziner fordern von der Politik längst fällige Maßnahmen für einen besseren Schutz der Bevölkerung.  
"Die Problematik ist schon seit 13 Jahren wirklich gut publiziert und der Zusammenhang mit Lungenerkrankungen ist nachgewiesen. Es besteht Handlungsbedarf", sagte Sylvia Hartl, Oberärztin an der Lungenabteilung im Wiener Otto Wagner-Spital, im APA-Gespräch.
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Mix aus winzigkleinen Teilchen
Feinstaub ist ein Mix aus extrem kleinen, mit freiem Auge nicht sichtbaren Substanzen, die für die Atemwege chemisch irritierendes bis toxisches und Krebs erregendes Potenzial haben.

Das Gemisch stammt aus Kraftfahrzeugemissionen inklusive Brems-, Gummi- und Straßenabrieb, Industrie- und Hausbrand (Kohleverbrennung, Holzverbrennung), Streusplitt und Salzstreuung.

Darin enthaltene Aerosole (feine flüssige, feste oder gasförmige Teilchen) und winzige Partikel werden über die Atemluft bis tief in die Lunge inhaliert.
->   Mehr über Feinstaub in Wikipedia.de
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Besonders gefährlich für geschwächte Menschen
"Stickoxide und Schwefelabgase führen zu Schleimhautreizungen. Sie sind wie saurer Regen für die Lunge", warnte die Medizinerin. Gefährdet sind vor allem Menschen mit einer entsprechenden Vorschädigung, wie Asthmatiker und Patienten mit chronisch-obstruktiven Lungenerkrankungen.

"Aber auch eine gesunde Lunge wird reagieren", so Hartl. Mit fortgesetzter Belastung drohten langfristig Dauerschäden: Bronchospasmen und klassisches Asthma, bronchitische Symptome wie erhöhte Schleimproduktion und Husten; außerdem könnten sich Keime leichter ansiedeln.

Bei Kleinkindern werde die Entwicklung der Lunge negativ beeinflusst. "Die steigenden Asthmaraten bei Kindern hängen unter anderem mit Feinstaub zusammen", erläuterte die Ärztin.
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Große Gruppe von Betroffenen
Die Gruppe akut Betroffener in Österreich sei groß: Etwa 15 Prozent der Bevölkerung gelten als diagnostizierte Asthmatiker. Eine Anzahl zwischen 400.000 und 800.000 Personen leidet an Chronisch Obstruktiven Lungenerkrankungen (COPD).

Für solche Personengruppen sei bei starken Belastungen "die Exponiertheit im Freien schädlich". Vorbelastete Kinder sollten dann nicht draußen spielen, Erwachsene unnötige Anstrengungen vermeiden.
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Dringen bis zu Lungenbläschen vor
"Man geht davon aus, dass alle Teile, die kleiner als zehn Mykrometer sind, so tief in die Atemwege gelangen, dass sie bis zu den Lungenbläschen vordringen", sagte Hartl; im Gegensatz etwa zu Pollen, die vergleichsweise viel voluminöser sind und deswegen in den größeren Atemwegen "hängen" bleiben.

"Die Partikel können sich auf den Schleimhäuten der kleinen Atemwege chemisch lösen und werden dort zu Säuren und aggressiven, radikalen Substanzen, die die Schleimhaut entzündlich verändern." Lungenbläschen würden "wie in einem Chemikalienbad" aufgelöst. Weitere Folgen seien eine Verengung und Verkrampfung der Atemwege.
Erhöhte Frequenz in den Notfall-Einrichtungen
Die Konsequenzen von Feinstaub-Belastungsspitzen sind für Ärzte unmittelbar sichtbar: "Ein erhöhter Feinstaubgehalt in der Luft geht mit einer erhöhten Frequenz in den Notfalleinrichtungen und einer höheren Todesfallrate zum Beispiel bei Asthma- oder Herz-Lungenpatienten einher", berichtete Sylvia Hartl. "Das erhöhte Sterberisiko bei Langzeitexposition ist erwiesen."
Informationen wie bei Ozon und Verkehrsreduktion
Die Medizinerin setzt sich dafür ein, die Bevölkerung auch über Grenzwertüberschreitungen bei Feinstaub zu informieren, wie das bei bodennahem Ozon schon der Fall ist.

Ozon reizt während der Sommermonate die Lungen, die Hochzeiten für Feinstaub seien vor allem die Heizperioden im Winter bis ins Frühjahr hinein: fast schon ganzjährige Belastungen für die Lunge.

Hartl verlangt auch konkrete Maßnahmen wie etwa Einschränkungen für den Verkehr. Dieseltreibstoff sei nicht zu Unrecht ins Gespräch gekommen - "weil man nach vermeidbaren Quellen sucht", so die Medizinerin.

[science.ORF.at/APA, 1.4.05]
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01.01.2010