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Schlechte Berufssaussichten schuld am "Brain-Drain"  
  "Brain-Drain" - die Abwanderung hochqualifizierter Forscher in andere Länder, vor allem in die USA - wird seit Jahren beklagt. 2004 wurde in Österreich deshalb gar ein "Rückholprogramm" für willige Wissenschaftler ins Leben gerufen. Eine aktuelle Studie bescheinigt dem wenig Erfolg: Nicht am Willen, in die Heimat zurückzukehren, fehlt es, sondern schlicht an den Karriereperspektiven.  
Das ist der Schluss einer qualitativen Befragung von 24 Forschern, die die Soziologin Elisabeth Scheibelhofer von der Uni Wien durchgeführt hat. Die Ergebnisse veröffentlichte sie im Fachjournal "SWS-Rundschau".
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Der Artikel "Mobilitätsperspektiven junger WissenschaftlerInnen im Ausland" ist in der "SWS-Rundschau" (Heft 1/2005, S. 117) erschienen.
->   "SWS-Rundschau"
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Programme zum Weggehen und Heimkommen
Es ist eine zum Teil kuriose Situation: Auf der einen Seite wird die Mobilität speziell von jungen Wissenschaftlern durch eine Reihe nationaler und EU-Programme spätestens seit den 1990er Jahren massiv gefördert.

Auf der anderen Seite entdecken die derart Mobilisierten dann oft die Vorteile des US-amerikanischen Forschungssystems und bleiben wegen besserer Karriereperspektiven und Bezahlung, wo sie sind.

Dafür gibt es dann wieder eigene Initiativen, wie etwa "brainpower austria" - eine Art Rückholprogramm für v.a. (aber nicht nur) auslandsösterreichische Forscher -, das vom Infrastrukturministerium 2004 gestartet wurde. Im Jänner dieses Jahres wurde bekannt, dass bisher sieben Wissenschaftler von der Jobagentur tatsächlich vermittelt worden sind.
->   Forscher-Rückholprogramm mit kleinen Erfolgen (13.1.05)
Qualitative Befragung
Studien, die die Mobilität von Wissenschaftlern untersuchen, gibt es laut Scheibelhofer eine Reihe. Meistens beschränken sie sich aber auf den Erfolg und die Auswirkungen von institutionellen oder forschungspolitischen Maßahmen - wie z.B. konkrete Mobilitätsprogramme. Viel seltener sei bisher aber die subjektive Perspektive der handelnden Personen betrachtet worden.

Aus diesem Grund befragte Scheibelhofer im Frühjahr 2002 insgesamt 24 österreichische Jungforscher, die damals in den USA arbeiteten.

21 wurden in die Studie aufgenommen: Sie stammten aus dem Bereich der Life Sciences sowie den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften und waren in der Forschung mit befristeten Dienstverhältnissen tätig - etwa in Form einer Post-doc-Stelle.
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Disziplinen ohne Unterschiede - mit einer Ausnahme
Zwischen den Disziplinen habe es hinsichtlich der Mobilitätsperspektiven keine gravierenden Unterschiede gegeben, schreibt Scheibelhofer. Mit einer Ausnahme: Life-Sciences-Forscher berichteten von dem Vorteil, für ihre Arbeit notwendige Materialien weit leichter beschaffen zu können. In Österreich würden viele der Materialien in den Labors selbst hergestellt - oft auch für Vorgesetzte -, um Kosten zu sparen. Und das lässt den Forschungsprozess zeitintensiver werden als in den USA.
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Drei Typen mobiler Wissenschaftler
Anhand der 21 Fallgeschichten und unter der Berücksichtigung mehrerer Variabeln (u.a. Berufs- und Wohnsituation sowie persönliche Beziehungen) stellte Scheibelhofer drei Mobilitätstypen von Wissenschaftlern auf:

Erstens Personen, die nach einem begrenzten Aufenthalt wieder nach Österreich zurückkehren; zweitens Forscher, die sich transnationale Lebensstile aufgebaut haben, also gewissermaßen zwei Lebensmittelpunkte haben; und drittens eine Gruppe, die ohne klare Rückkehrabsicht eine langfristige Migration anstrebt.
Schlechte Karriereperspektiven in Österreich
Allen drei Mobilitätsarten, die anhand typischer Fallbeispiele illustriert werden, gemeinsam ist, dass die Forscher von schlechten Karriereperspektiven in Österreich ausgehen. Die "temporär Mobilen" kehren dennoch nach Österreich zurück, die "langfristigen Migranten" eben deshalb nicht.

Da die befragten Wissenschaftler für sich selbst in der österreichischen Forschungslandschaft kaum Möglichkeiten sehen, ihre Arbeit adäquat fortzusetzen, entwickeln sie spezifische Strategien, die etwa zu einer Verfestigung ihres Aufenthalts in den USA oder überhaupt zum Ausscheiden aus der Forschung führen können, so Scheibelhofer.
Politik sollte sich um "Transnationale" kümmern
Eine besondere - bisher laut Scheibelhofer zu wenig untersuchte - Kategorie stellen die Forscher mit "transnationaler Mobilität und transnationalem Lebensstil" dar. Sie sind in Ursprungs- wie Migrationsland gleichermaßen verankert und könnten interessante Anknüpfungspunkte ergeben.

Jenseits der Logik des Nationalismus betreiben sie eine Art "Globalisierung from below": Ihr starkes persönliches Interesse an der internationalen Kooperation von Institutionen könnte sie zum Hebel einer vernünftigen Wissenschaftspolitik machen.
Strukturelle Veränderungen nötig
In ihren Schlussfolgerungen wird Scheibelhofer recht deutlich: In Österreich komme es nicht auf Initiativen an, junge Forscher zurück zu holen - im Regelfall würden dies die meisten ohnehin gerne und von selber tun.

Viel wichtiger seien "realistische Karriereperspektiven in der Forschung". Und dafür seien "strukturelle Veränderungen der Universitäten und Forschungseinrichtungen notwendig".

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 4.4.05
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Elisabeth Scheibelhofer ist Assistentin am Institut für Soziologie der Universität Wien. Arbeitsschwerpunkte: Migration und transnationale soziale Räume, interpretative Soziologie (Schwerpunkt Methoden).
->   Elisabeth Scheibelhofer (Uni Wien)
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Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Brain-Drain geringer als häufig dargestellt (5.5.04)
->   "Brainpower austria" soll Forscherstars nach Österreich holen (25.3.04)
->   USA: Anti-Terror-Politik dezimiert Gastforscher (19.1.04)
 
 
 
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01.01.2010