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Ex-Boku-Rektor März für Orientierungsphase an Unis  
  Von einer Aufnahmeprüfung an die Universität hält der ehemalige Rektor der Universität für Bodenkultur (Boku) Leopold März nichts. Er plädiert für eine "Vorbereitungs-, Informations- und Einführungsphase".  
Vor wenigen Wochen hatte die Österreichische Rektorenkonferenz, der März früher angehörte, in einem internen Diskussionspapier kapazitätsbedingte Zulassungsbeschränkungen für einzelne Studienrichtungen gefordert.

Eine Möglichkeit dafür sind Aufnahmetests: "So etwas ist schwer verwirklichbar. Was sollen denn die Kriterien für einen solchen Aufnahmetest sein?", so März im Gespräch mit der APA.
Studienwechsel- und Abbrecherraten zu hoch
In Österreich seien die Studienwechsel- und Abbrecherraten zu hoch - "die Fehlerquote bei der Studienwahl unnötig hoch", betonte März. So hätten zu seiner Zeit als Rektor rund 40 Prozent der Studienanfänger an der Boku zuvor ein anderes Studium begonnen.

Abhilfe sollte nach Ansicht März' eine Informationsphase im Verantwortungsbereich der Schule schaffen. Darin sollte klargelegt werden, was einen angehenden Studenten in einem bestimmten Studium tatsächlich erwartet.
Standardisiertes Beratungsgespräch
In einem "institutionalisierten und standardisierten Beratungsgespräch" sollte dann an den Unis überprüft werden, was er über das angestrebte Studium weiß.

"Es wäre schon ein Fortschritt, könnte ein angehender Student gut begründen, warum er ein Studium gewählt hat", so März, dem es dabei primär um Beratung und nicht um Auswahl geht. "Aber beraten kann auch abraten heißen."
Teilweise auch Kapazitätsgrenzen
März kann sich aber auch gut Kapazitätsgrenzen für bestimmte Studien vorstellen, die über eine Eingangsphase gesteuert werden - ähnlich dem neuen Medizinstudium.

Eine solche "Studienplatzbewirtschaftung" werde auch vor dem Hintergrund des zu erwartenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) über die österreichischen Uni-Zugangsregelungen für Ausländer notwendig. "Denn die erwartete Studentenschwemme wird dann arg, wenn es überhaupt keine Beschränkungen gibt".
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In Diskussionspapier der Österreichischen Rektorenkonferenz waren vor wenigen Wochen "Zulassungsverfahren in kapazitätsbeschränkten Studienrichtungen" gefordert worden.
->   Mehr dazu in: Freier Uni-Zugang bald ade? (18.3.05)
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Defizite in der Bildungsdebatte
Kritik übt März am weitgehenden Schweigen der Universitäten zum Ergebnis der internationalen Bildungsvergleichsstudie PISA, das sich in eine "lähmende Mischung aus Nichterkennen, Nicht-Äußern und Verhindern einreiht".

Defizite ortet er auch in der derzeitigen Bildungsdebatte, in der "nur über Strukturen und zu wenig über Inhalte gesprochen wird". So lernt man nach Ansicht März' "für das Leben in unseren Schulen nur in sehr eingeschränktem Ausmaß".

Eine der Ursachen dafür ortet er im "antiquierten, klassisch-disziplinär strukturierten Fächer-Kanon". So könne man Fächer wie Geografie und Geschichte nicht als separat betrachten und unterrichten, ebenso wie Biologie, Chemie und Physik.
In der Schule: Besser fördern als sieben
März kritisiert weiters "ein noch immer vorherrschendes Bemühen um Siebung". Er ist überzeugt, dass eine Prüfung dazu diene, festzustellen, was jemand könne - und nicht, was jemand nicht könne.

"Bis dahin haben wir als Lehrer, egal welchen Bildungssektors, die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, die uns Anbefohlenen zu fördern, ihre Leistungsfähigkeit steigern zu helfen, sie zu Selbstvertrauen und Zuversicht anzuleiten."

März ist überzeugt, dass Motivieren und Stimulieren, Erkennen und Fördern von Begabungen, aber auch das Eingehen auf Schwächen, ohne gleich daraus lebenslang wirksame Konsequenzen abzuleiten, dem allgemeinen Niveau zuträglicher sei als unser traditionelles System, in dem jeder möglichst früh abschließend auf eine bestimmte Schiene gesetzt werde.
Numerische Benotung überholt
Eine wichtige Rolle räumt März den Lehrern ein. Zu fragen sei, wie sicher sich die Pädagogen seien, dass das der richtige Beruf ist, bevor sie ihn antreten. AHS-Lehrer würden an Unis von Professoren ausgebildet, "die selbst nicht zu lehren gelernt haben".

Außerdem fordert März, dass Lehrer dazu verpflichtet werden sollten, regelmäßig eine Auszeit von rund einem Semester zu nehmen, nicht nur um sich weiterzubilden, sondern auch um Abstand "zur Mühle Schule" zu bekommen.

Die numerische Benotung hält der Ex-Rektor - auch im Uni-Bereich - für überholt, stattdessen sollten Stärken und Schwächen beschrieben werden.

[science.ORF.at/APA, 4.4.05]
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01.01.2010