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Bose-Einstein-Kondensat mit Supermolekülen  
  Nahe dem absoluten Nullpunkt kann Materie einen bizarren Zustand einnehmen, das so genannte Bose-Einstein-Kondensat (BEC). Die erste Realisierung dieses besonderen Aggregatszustandes im Jahr 1995 war der Startschuss für ein wissenschaftliches Wettrennen, das nun einen neuen Höhepunkt erreicht hat. Innsbrucker Forscher haben nun die bisher komplexesten BEC-Gebilde hergestellt: Supermoleküle aus Cäsiumatomen.  
Bereits im Jahr 2003 präsentierte das Team um Rudolf Grimm, Direktor des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, erstmals Experimente mit Molekülen. Nun fügten die Forscher je zwei Moleküle zu so genannten vielteiligen Quantenclustern zusammen.
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Die Studie "Observation of Feshbach-Like Resonances in Collisions between Ultracold Molecules" von C. Chin et al. erschien im Fachjournal "Physical Review Letters (Band 94, S.123201; 1. April 2005).
->   Zum Abstract der Studie
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Von Einstein prognostiziert
BEC gilt als eigener Zustand der Materie wie flüssig, fest oder gasförmig. Das bereits Anfang des vorigen Jahrhunderts - von Albert Einstein und Satyendra Nath Bose - theoretisch vorhergesagte Kondensat tritt nur bei extrem tiefen Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt (minus 273 Grad Celsius) auf.

Erst seit wenigen Jahren verfügen Wissenschaftler über das nötige Know-how, um solch niedrige Temperaturen zu erzeugen.
Teilchen im Gleichschritt
Das Besondere an dem Zustand ist, dass Teilchen im BEC ihre Identität aufgeben und völlig im Gleichschritt mit ihren Nachbarn schwingen und funktionieren, erklärte Grimm gegenüber der APA. Sie werden gleichsam zu einem einzigen Superteilchen.

Was auch Technologen zunehmend auf diese Grundlagenforschungen aufmerksam macht, ist der Umstand, dass Teilchen im BEC Superfluidität besitzen: Würde man BEC mit einem geeigneten Löffel umrühren, so ginge das ohne jegliche Reibung vonstatten.
->   Bose-Einstein-Kondensat bei Wikipedia
Mikrophänomen in der Makrowelt
Die Physiker sind jedoch weniger an möglichen Anwendungen interessiert, sie geraten eher in Verzückung, wenn sie durch die im Gleichschritt marschierenden Teilchen erstmals die teils höchst seltsamen Phänomene der Quantenwelt makroskopisch sichtbar machen können.

Was an einzelnen Teilchen nicht zu studieren ist, wird nun an dem im Gleichklang befindlichen Teilchen-Heer beobachtbar.
Atome in der Magnetfalle
Grimm und seine Mitarbeiter verwenden dazu Magnetfelder, mit denen sie die Teilchen manipulieren und Atome zu Molekülen und - neuerdings - Moleküle zu Supermolekülen zusammenfügen.

Dabei hängt etwa die Bindungsstärke jeweils von der Art und der Stärke des Magnetfeldes zusammen. Mit einer Hand am Drehschalter kann so der Experimentator jederzeit stufenlos die Bedingungen verändern und das Verhalten der Teilchen studieren.
Neuer Rekord mit Cäsium-Clustern
Der Forscher erhoffen sich von den Experimenten vor allem neue Einsichten in die quantenmechanischen Grundlagen von chemischen Verbindungen.

Für die erstmalige Verwirklichung von Quantenclustern verwendeten die Physiker Cäsiumatome. In einem ersten Schritt wurden zwei Atome - wie schon bei den Aufsehen erregenden Experimenten 2003 - zu einem Molekül vereint und dann wiederum je zwei Moleküle zu Clustern verbunden.
Wettlauf wird weitergehen
"Wenn ich ehrlich bin", erzählt Rudolf Grimm, "war dieses Ergebnis eine Zufallsentdeckung. Was uns dabei zugute kam, waren die besonderen Eigenschaften des Cäsium." Die Innsbrucker Wissenschaftler sind nämlich bis heute die einzigen, die ein Bose-Einstein-Kondensat aus Cäsiumatomen herstellen konnten.

Der Wettlauf wird weitergehen, ist Grimm überzeugt. Weltweit versuchen Physiker-Gruppen immer kompliziertere Strukturen in den atomaren Gleichschritt des BEC zu versetzen.

[science.ORF.at/APA, 5.4.05]
->   Institut für Quantenoptik und Quanteninformation
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01.01.2010