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Schmetterlinge in der Radarfalle  
  Britische Forscher haben eine Methode entwickelt, mit der sich Flugbewegungen von Schmetterlingen durch Radarsignale verfolgen lassen. Unzulässige Höchstgeschwindigkeiten wurden zwar keine gemessen, dafür fand man heraus, dass sich die Tiere keineswegs regellos im Raum bewegen: Sie dürften sich vielmehr einer Art globaler Suchstrategie bedienen.  
Wie ein Team um E.T. Cant vom britischen Agrarforschungszentrum Rothamsted Research berichtet, kennen Schmetterlinge zwei Flugstile: Geradeaus in Höchstgeschwindigkeit - und den gemächlichen Schleifenflug. Letzterer dient vermutlich der Erkundung der Umwelt.
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Die Studie "Tracking butterfly flights with harmonic radar across the landscape" von E.T. Cant erscheint im Fachjournal "Proceedings of the Royal Society B" (doi:10.1098/rspb.2004.3002).
->   The Royal Society Publications
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Regelloses Hin und Her?
Schmetterlinge, die von Blüte zu Blüte flattern und sich dort am Nektar der Pflanzen gütlich tun, gelten als Sinnbild der Unstetigkeit. Denn das Hin und Her ihres Fluges wirkt regellos, beinahe zufällig. Ist der einzige Flugplan, an den sich die Insekten mit den bunten Schuppenflügeln und dem langen Rüssel halten, die konsequente Abwesenheit eines solchen?

Um diese Frage zu beantworten, muss man freilich den Lepidopteren - wie die Schmetterlinge von Fachleuten genannt werden - auf ihren täglichen Wanderungen folgen.
->   Schmetterlinge bei Wikipedia
Traditionelle Methoden mit Nachteilen
Dafür gibt es im Prinzip folgende Methoden. Zum einen die klassische Arbeitsweise, per pedes: Hier versuchen die Forscher einfach mit den Schmetterlingen im Freiland Schritt zu halten und auf diese Weise Aufschlüsse über deren Verhalten zu gewinnen.

Offensichtliche Nachteile dieser Methode: Sie produziert viel Schweiß und wenig harte Fakten, lässt also nur qualitative Befunde zu. Etwas objektivierbarer ist die bekannte Strategie von Fang, Markierung und Wiederfang, mit der man sich auch ein Bild von größeren Wanderungsbewegungen machen kann.

Allerdings entstehen hier Lücken in der Beobachtung, und man erfährt vor allem nichts über die Art und Weise, wie sich Schmetterlinge an der Landschaft orientieren, so sie es überhaupt tun.
Insekten-Radar
Eine höhere Datenausbeute bei geringem Arbeitsaufwand garantiert schließlich die Insektenverfolgung mittels Radar, kurz: die Radar-Entomologie. Dabei macht man sich die Tatsache zunutze, dass von einem Sender produzierte elektromagnetische Wellen von bewegten Objekten reflektiert werden.

Anhand der Laufzeit und der Richtung des Echos lassen sich dann Ort, Flugrichtung und Geschwindigkeit ermitteln. Und das funktioniert eben nicht nur bei Flugzeugen, sondern auch bei Insekten. A. B. Crawford vom Naval Electronics Laboratory demonstrierte das Prinzip bereits im Jahr 1949.
->   Radar entomology
Antennen: Zwei natürliche, eine künstliche
 
Bild: Proceedings of the Royal Society

Das Team um E.T. Cant von Rothamsted Research stellte nun eine verbesserte Version dieser Grundidee mittels des so genannten harmonischen Radars vor.

Die von den Forschern verwendete Vorrichtung arbeitet nämlich nicht mit den relativ schwachen und diffusen Echos klassischer Machart. Vielmehr setzten sie Minisender ein, die - ähnlich wie Mobiltelefone - Signale zu Empfangsstationen (zurück)senden.

Dafür mussten allerdings die Sender am fragilen Körper der Insekten montiert werden (Bild oben), was offenbar gelang, ohne die Beweglichkeit der Tiere zu beeinträchtigen.
->   Orientation behavior revealed by harmonic radar
Relativ faul
Wie Cant und Kollegen herausfanden, verbringen der Kleine Fuchs (Aglais urticae) sowie das Tagpfauenauge (Inachis io), die beide bereits im 18. Jahrhundert vom schwedischen Naturforscher Carl von Linne beschrieben wurden, nur fünf bis acht Prozent ihrer Zeit mit Fliegen. Ein knappes Drittel des Tages widmen sie Wanderungen, den Rest der Zeit verbringen sie mit sportlichem Nichtstun, sprich: mit Sitzen.
Höchstgeschwindigkeit: 17,4 km/h
Was das Fliegen anbetrifft, kennen die Schmetterlinge offenbar zwei Varianten. Zum einen den "Autobahnmodus", die geradlinige Vorwärtsbewegung, bei der immerhin Durchschnittsgeschwindigkeiten von 10 km/h erreicht werden.

Den Temporekord erreichten in den Versuchen allerdings andere Spezies - u.a. der Admiral (Vanessa atalanta) - mit stattlichen 17,4 km/h. Dieser Flugmodus trat besonders dann auf, wenn sich die Tiere einem potenziellen Habitat näherten.
Suchen im Schongang
Was aber tut ein Tier, wenn es keine Ahnung hat, wo es eigentlich hin soll?

"Wenn ein Tier keine Informationen über den Ort von Ressourcen besitzt, dann muss es sich so bewegen, dass es einerseits die Chancen erhöht, diese aufzuspüren - und andererseits die Chancen minimiert, auf bereits bekannte Areale zu treffen", schreibt etwa der US-Biologe K.L. Bell in seinem Lehrbuch "Searching behaviour: the behavioural ecology of finding resources".

Genau das erreichen Schmetterlinge mit dem zweiten, langsameren Flugmodus, der sich am besten als "Parkplatzsuche mit Tankstopp" umschreiben lässt. Bei dieser Variante vollziehen die Tiere kreisende Flugbewegungen, die von Phasen der Nahrungsaufnahme unterbrochen werden.

Die Befunde weisen darauf hin, dass dieser Flugstil zur Orientierung dient, schreiben Cant und Kollegen in ihrer Studie. Und das bedeute wiederum, dass sich Schmetterlinge keineswegs zufällig im Raum bewegen, sondern zu einer systematischen Suche fähig sind.

[science.ORF.at, 6.4.05]
->   Rothamsted Research
->   Mehr zu Schmetterlingen im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010