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Kosmos-Staub belegt Theorie vom "Schneeball" Erde  
  War die Erde vor Hunderten von Millionen Jahren vollständig vergletschert? Erste Indizien von US-Forschern für den "Schneeball Erde" wurden 1998 noch belächelt. Nun lieferten österreichische Forscher Beweise für die Theorie - sie maßen auch gleich die Dauer der Vergletscherung.  
Ein Team um Christian Köberl vom Institut für Geologische Wissenschaften der Universität Wien bestimmte dazu die Konzentration von Iridium in Gesteinsschichten, das aus dem kosmischem Staub stammt, der sich auf dem Gletschern angesammelt hat. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in "Science".
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Die Studie "Estimating Duration and Intensity of Neoproterozoic Snowball Glaciations from Ir Anomalies" ist in "Science" erschienen (Bd. 308, S. 239; Ausgabe vom 8. April 2005).
->   "Science"
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Schneeball oder Matschball?
Bisher gab es vor allem zwei Indizien, die auf einen erdumfassenden Eispanzer hindeuteten: einerseits mächtige Gletscherablagerungen (so genannte Diamiktite), die sich auf der ganzen Welt finden, andererseits Analysen von Isotopenzusammensetzungen des Elements Kohlenstoff in Gesteinsschichten, die darauf hindeuten, dass es zur damaligen Zeit keine Photosynthese gegeben hat.

Strittig war bisher allerdings die Frage, ob die Erde tatsächlich bis zum Äquator mit Eis bedeckt war ("Schneeball" Erde) oder tropische Meere eisfrei geblieben sind ("Matschball" Erde).
Iridium aus Kosmosstaub als Gradmesser
"Wenn die Erde tatsächlich weitgehend von Eis bedeckt war, muss sich der kosmische Staub, der ständig auf den Planeten niedergeht, auf den Gletschern angesammelt und sich nach deren Abschmelzen als Schicht abgelagert haben, die man anhand der Iridiumkonzentration noch heute nachweisen könnte", erklärt Köberl den Ansatz der Forschungsarbeit, die von Bernd Bodiselitsch in seiner Dissertation verfolgt wurde.

Jährlich rieseln rund 40.000 Tonnen dieses extraterrestrischen "Schmutzes" auf die Erde, eine Menge, die im Laufe der Erdgeschichte laut Köberl relativ konstant geblieben ist. Und sie enthält das Element Iridium in einem Ausmaß, wie es auf der Erde nie vorkommt.
Beweise aus Afrika
 
Bild: Science

Tatsächlich haben die Wiener Forscher nun in drei Bohrkernen, die aus geologischen Bohrungen in Kongo und Sambia stammen, eine dünne Schicht mit hoher Iridiumkonzentration entdeckt (siehe Bild).

Und zwar genau zwischen den Diamiktiten, die aus der Zeit der so genannten "Marinoan"-Vereisung vor 635 Mio. Jahren stammen, und einer Schicht Karbonate, die nach dem Abschmelzen der Gletscher entstanden sind.

Diese Karbonatschicht wurde, so nimmt man an, dadurch gebildet, dass sich in den Meeren unter dem Eis durch unterseeischen Vulkanismus so viel Kohlendioxid angereichert hat, das nach dem Abschmelzen des Eises ausgefällt wurde, so wie etwa Salz aus einer hochkonzentrierten Lösung ausfällt.
Genaue Bestimmung der Zeitspanne
Auf Grund der Konzentration des Iridiums haben die Wissenschaftler berechnet, dass die "Marinoan"-Vergletscherung rund zwölf Millionen Jahre gedauert hat (plus/minus drei Millionen Jahre).

Dass das extraterrestrische Material in einer eng definierten Schicht gefunden wurde, ist für Köberl auch ein Beleg für den "Schneeball" Erde und damit für eine vollständige Vereisung des Planeten.
Alles war von Eis bedeckt
Hätte es eisfreie Meere in Äquator-Nähe gegeben, wäre der abgelagerte Staub im Laufe der Jahre in Richtung dieser Ozeane abgelagert worden und hätte sich mit anderem Erosionsmaterial vermischt.

Für die zweite, ältere "Stuartian"-Vereisung vor etwa 710 Mio. Jahren wurden ebenfalls Iridium-Spuren nachgewiesen. Dieses ist allerdings über einen breiteren Bereich verteilt.

Hier dürfte die Abschmelzung etwas langsamer vor sich gegangen sein, wodurch auch die Iridium-Ablagerung nicht in einer so engen Schicht erfolgt ist, vermuten die Forscher.
Ursachen weiter unklar: Geringere Sonnenaktivität ...
Keine neuen Aufschlüsse gibt die Arbeit der Wiener Wissenschaftler über die Gründe für die globale Vereisung.

Man nimmt an, dass es mehrere Ursachen für das Anwachsen der Gletscher gegeben hat, etwa die Zersetzung von CO2 durch die Verwitterung von Gesteinen und die damit verbundene Abschwächung des Treibhauseffektes in der Atmosphäre sowie eine zur damaligen Zeit schwächere Sonnenaktivität.
... oder Wolke interstellaren Staubs
Möglich wäre auch, dass sich unser Sonnensystem zu dieser Zeit durch eine Wolke interstellaren Staubs bewegte. Sobald die Gletscher einmal eine gewisse Größe erreicht hatten, wurde von ihnen so viel Sonnenlicht reflektiert, dass sich der Prozess der Vereisung verselbstständigte, bis die ganze Erde vergletschert war.

Dass es dann binnen weniger 1.000 bis 10.000 Jahre wieder zu einem kompletten Abschmelzen des Eises gekommen ist, wird auf vulkanische Tätigkeit zurückgeführt, die zu einem massiven Anstieg von CO2 und damit des Treibhauseffekts in der Atmosphäre und der damit verbundenen starken Erwärmung geführt hat.

[science.ORF.at/APA, 8.4.05]
->   Mehr zum "Snowball Earth" bei Wikipedia (englisch)
->   The Snowball Earth (Uni Harvard)
->   Institut für Geologische Wissenschaften, Uni Wien
Mehr zu Erdgeschichte in science.ORF.at:
->   Woher das Eis am Nordpol stammt (25.2.05)
->   Eiszeiten durch "günstige" Kontinentverteilung (13.9.04)
->   Urzeitlicher Treibhauseffekt vor Aufklärung (3.6.04)
 
 
 
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01.01.2010