News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 
Enzym im Hirn sorgt für gesunde Ernährung  
  Wer sich ausgewogen ernähren will, braucht nicht nur gute Ernährungsberater. Laut einer neuen Studie ist auch die richtige Chemie im Gehirn entscheidend. Ein entwicklungsgeschichtlich uraltes Enzym verleitet das Hirn demnach zur Auswahl gesunder und ausgewogener Nahrung.  
Beobachtet wurde der Mechanismus von einem Team um David Ron von der New Yorker University School of Medicine. Die Forscher fanden das entscheidende Enzym im Gehirn von Mäusen, wie sie im Fachjournal "Cell Metabolism" berichten.

Sie halten den Hang von Säugetieren zu ausgewogener Ernährung für angeboren - was den Menschen prinzipiell mit einschließt.
...
Die Studie "The GCN2 kinase biases feeding behavior to maintain amino acid homeostasis in omnivores" ist in "Cell Metabolism" (Bd. 1, S. 273, April 2005) erschienen.
->   Cell Metabolism
...
Essenzielle Aminosäuren müssen gegessen werden
Proteine bestehen aus Aminosäuren - die meisten von ihnen können vom Körper selbstständig produziert werden. Bei acht so genannten essenziellen Aminosäuren gelingt dies Säugetieren aber nicht, sie müssen durch die Nahrung aufgenommen werden. Wird dies unterlassen, können Mangelerscheinungen auftreten.

Der Wissenschaft ist es schon lange bekannt, dass Allesfresser im Tierreich tendenziell Futter bevorzugen, dem keine dieser notwendigen Aminosäuren fehlt. Auch bei Menschen hat die ausgewogene Kombination unterschiedlicher Eiweißquellen - z.B. Reis und Bohnen - eine lange Tradition.
Entscheidend: Enzym "GCN2-Kinase"
Das Prinzip ist also bekannt, nun arbeiten Forscher daran, die genauen molekularen Zusammenhänge zu erkunden.

Von früheren Studien mit dem Modellorganismus Hefe und auch an Ratten wussten die Wissenschaftler um David Ron, dass das Enzym "GCN2-Kinase" eine entscheidende Rolle bei der Auswahl von aminosäurehaltigem Futter spielt.
Information über Aminosäurenprofil der Nahrung
Normale Laborratten bevorzugen gesunde, ausgewogene, aminosäurereiche Nahrung. Im Experiment deaktivierten die Wissenschaftler nun die "GCN2-Kinase" - daraufhin änderte sich das Fressverhalten der Tiere.

Den Mäusen war es nun gleichgültig, ob das Futter ausgewogen war oder nicht. Das Enzym löst eine Reihe von elektrischen Impulsen aus, die dem Mäusegehirn Informationen über den Aminosäuregehalt der Nahrung geben, erklärt David Ron die Beobachtungen.

Auf diese Weise erfährt das Gehirn zum Beispiel, ob genügend Aminosäuren aus der Nahrung ins Blut aufgenommen wurden. Frisst die Maus zu viel "ungesundes" Essen, gibt das Gehirn den Befehl, Futter mit einem größeren Aminosäuregehalt zu bevorzugen.
Innerhalb von 20 Minuten Änderung des Fressverhaltens
Die Beobachtungen der New Yorker Forscher werden von Experimenten der Neurologin Dorothy Gietzen von der Universität von Kalifornien gestützt. Sie hatte das Enzym bereits bei Ratten gefunden und die entsprechende Studie ihres Teams vor wenigen Wochen in "Science" veröffentlicht.

Die Versuche von Gietzen wiesen nach, dass Ratten innerhalb von 20 Minuten einen Aminosäuremangel in ihrem Futter bemerken und die Nahrungsaufnahme entsprechend ändern können.
...
Die Studie "Uncharged tRNA and Sensing of Amino Acid Deficiency in Mammalian Piriform Cortex" von Gietzen ist in "Science" (Band 307, S. 1776, Ausgabe vom 18. März 2005) erschienen.
->   Original-Abstract in Science (kostenpflichtig)
...
Leere Transfer-RNAs lösen Kettenreaktion aus
Entscheidend dafür sind Nervenzellen im so genannten piriformen Cortex, der Riechrinde im Gehirn. Sobald sie einen Mangel bemerken, wird ein Nervenschaltkreis ausgelöst, der die Futteraufnahme kontrolliert.

Diese Information liefern so genannte "transfer-RNAs" - winzige, kleeblattförmige Moleküle, die bei der Eiweißproduktion das grundlegende Material, die Aminosäuren, liefern.

Wenn nun eine der Aminosäuren fehlt und "leere tRNAs" auftreten, wird eine komplexe Kette molekularer Ereignisse ausgelöst - an dessen Ende eine Veränderung des Fressverhaltens stehen kann, so die Forscher.
Gilt - bzw. galt - auch für Menschen
Wie David Ron anlässlich seiner aktuellen Publikation festhält, ist es sehr wahrscheinlich, dass die bei Mäusen und Ratten gefundenen Mechanismen auch für den Menschen gelten.

Durch kulturelle Einflüsse seien die "natürlichen Ernährungsratgeber" aber vermutlich mittlerweile überschrieben worden.

[science.ORF.at/APA/dpa, 12.4.05]
->   David Ron, University School of Medicine
->   Dorothy Gietzen, University of California
->   science.ORF.at-Archiv zum Thema "Ernährung"
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010