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"Leck" im globalen Stickstoffhaushalt entdeckt  
  Natürliche Stickstoffverbindungen sind der Dünger der Weltmeere. Allerdings gibt es in manchen Regionen der Ozeane viel zu wenig davon. Ein internationales Forscherteam hat nun herausgefunden, warum: So genannte Anammox-Bakterien entfernen über eine spezielle Stoffwechselreaktion die begehrten Moleküle aus der Nahrungskette.  
Die Entdeckung von Forschern des Max-Planck-Instituts für marine Mikrobiologie und ihren niederländischen Kollegen von der Universität Nijmegen ist nicht nur ökologisch interessant, sie hat auch angewandte Konsequenzen. Die Fähigkeiten der Anammox-Bakterien stellen eine viel versprechende Alternative zur Entfernung von Stickstoffverbindungen in Kläranlagen dar.
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Die Studie "Massive nitrogen loss from the Benguela upwelling system through anaerobic ammonium oxidation" von Marcel M. M. Kuypers et al. erscheint auf der Website des Fachjournals "Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA" (doi:10.1073_pnas.0502088102).
->   Zur Studie (sobald online)
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Wichtiger Baustoff
Stickstoff ist ein lebenswichtiges Element. Er ist Bestandteil der Nukleinsäuren (DNA und RNA), der Proteine und anderen wichtigen Biomolekülen. Tiere nehmen Stickstoff über die Nahrung zu sich, Pflanzen müssen ihn hingegen in ionischer Form aus der Umwelt aufnehmen.

Dementsprechend enthalten in der Landwirtschaft verwendete Düngemittel jede Menge des begehrten Elements, etwa in Form von Ammonium oder Nitraten.
Mangelware in Ozeanen
In den Weltmeeren ist Stickstoff jedoch mitunter Mangelware: Zu einem Gutteil dafür verantwortlich sind die sauerstoffarmen Regionen der Ozeane, so genannte "oxygen-minimum zones" (OMZs).

In diesen Zonen passieren 30 bis 50 Prozent der globalen Verluste an stickstoffhältigen Nährstoffen. Bisher dachte man, das sei ausschließlich auf eine bekannte biochemische Reaktion, die so genannte Denitrifikation, zurückzuführen.
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Denitrifikation
Die Denitrifikation wird auch anaerobe Nitratatmung genannt. Dabei wird Nitrat über Nitrit zu gasförmigen Stickstoffverbindungen - hauptsächlich zu N2 - reduziert, die dann in die Atmosphäre entweichen. Die Denitrifikation führt zu Stickstoffverlusten von Ökosystemen, als Nebenprodukt kann auch Distickstoffoxid entstehen, das zum Treibhauseffekt beiträgt.
->   Denitrifikation bei Wikipedia
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Stickstoff-Verlust einmal anders
Deutsche und niederländische Forscher haben nun herausgefunden, dass dieser Verlust auch anders ablaufen kann. Er wird von marinen Anammox-Bakterien geregelt, die in 100 Metern Meerestiefe unter Ausschluss von Sauerstoff tätig sind. Diese Entdeckung gelang ihnen im Benguela-Strom vor Namibias Küste:

Dessen Auftriebssystem bringt Nährstoffe in die Region, die für einen reich gedeckten Tisch sorgen. Hier bedienen sich nicht nur kleine Fische, auch große Wale kommen hierher.

Die Anammox-Bakterien entfernen jedoch einen Großteil des Ammoniums (NH4) aus dieser Nahrungskette. Dabei wird Stickstoffgas frei und entweicht in die Atmosphäre.

Nur ein geringer Bruchteil davon kann von Cyanobakterien und Algen wieder eingefangen und wieder ins System eingeschleust werden. Dies widerlegt die bisherige Vermutung, dass die Denitrifikation für die Freisetzung von Stickstoff alleine verantwortlich ist.
Konsequenzen für Klimamodelle...
Diese Entdeckung hat weit reichende Konsequenzen für das wissenschaftliche Verständnis des Stickstoffkreislaufs. Die mathematischen Modelle, die die globale Stickstoffbilanz beschreiben, müssten nun revidiert werden, so die Forscher in einer Aussendung. Denn dieses neu entdeckte "Leck" habe direkten Einfluss auf die Berechnung des Kohlenstoffkreislaufs und damit auf langfristige Klimaabschätzungen.
...und Kläranlagen
Der Anammox-Prozess sei nicht nur von akademischem Interesse, sondern biete eine viel versprechende Alternative zu der klassischen Methode in Kläranlagen, Stickstoffverbindungen zu entfernen.

Die neue Methode reduziere die Kosten auf ca. 10 Prozent, gleichzeitig verringere sich der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid um 88 Prozent, so die Wissenschaftler. In Rotterdam setzte man diese Erkenntnisse bereits um und nahm die weltweit erste auf Anammox-basierende Großkläranlage in Betrieb.

[science.ORF.at, 19.4.05]
->   Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie
->   University of Nijmegen
->   www.anammox.com
->   Das Stichwort Stickstoff im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010