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Braucht Österreich eine Elite-Universität?  
  Seit der Wiener Physiker Anton Zeilinger im vergangenen Herbst seine Idee einer so genannten Elite-Universität für Österreich vorgestellt hat, wird heftig darüber diskutiert. So auch bei einer Veranstaltung im ORF-Kulturcafe.  
Die Stadt Wien hat in einer Studie die Machbarkeit des Projektes nachweisen lassen, auch im Auftrag des Bildungsministeriums prüft eine Wissenschaftlergruppe das Projekt.

Und quer durch Österreich finden sich ebenso vehemente Gegner wie Befürworter einer Eliteuni, wie die Veranstaltung zeigte.
Kontra: Geld wäre bei bestehenden Unis besser angelegt
Eliteuni, Exzellenzuni, Spitzenuniversität, Spitzenforschungseinrichtung - schon bei der Bezeichnung des Projektes scheiden sich die Geister. Aber klar ist: Es soll eine Ausbildungs- und Forschungseinrichtung mit den besten Lehrern und den besten Studenten sein.

Und klar ist: So eine Uni würde viel Geld kosten. Von 100 Millionen Euro im Jahr ist die Rede. Die Vizerektorin der Wirtschaftuniversität Wien, Barbara Sporn, hält so viel Geld in den bestehenden Universitäten für besser angelegt:

"Es gibt viele Spitzenforscher an jeder österreichischen Uni. Es geht darum, diese Stärken weiter zu stärken. Also warum fördern wir nicht diese Universitäten. Wenn wir das tun, haben wir in zehn Jahren genauso viele Eliteuniversitäten, wie sich der Vorschlag momentan anhört", so Sporn.
Pro: Bestehende Unis haben wenig Eliten geschaffen
Georg Stingl, stellvertretender Vorstand der Universitätsklinik für Dermatologie an der Medizinuniversität Wien, stellt die Frage: Warum dann in der Vergangenheit diese Exzellenz und diese Eliten an den Universitäten nicht geschaffen worden seien?

Weil, so die Antwort, das erst mit dem neuen Universitätsgesetz seit 2004 überhaupt möglich ist.

Stingl ist übrigens auch Mitglied in jener Arbeitsgruppe, die im Auftrag des Wissenschaftsministeriums die Machbarkeit einer Eliteuni untersucht. Er meint, dass an den bestehenden Universitäten vor allem die Evaluierung zu wünschen übrig lässt. Stingl spricht von "Scherz-Evaluierungen".
Pro: "Elite" sollte doch kein Schimpfwort sein
Stingls Argumentation wird gestützt von Andrea Holzmann-Jenkins vom Wiener Wissenschaftszentrum. Das hat die Idee einer Spitzenuni im Auftrag der Stadt Wien überprüft und für machbar befunden.

Im Sport oder im Kulturbereich werde ja auch nicht diskutiert über den Elitebegriff. Spitzensport werde auf "Teufel komm raus" gefördert, sagt Holzmann-Jenkins.

Warum sollte das in der Wissenschaft verpönt sein, wo das doch gerade ein Bereich von Leistungselite sei, fragt Holzmann-Jenkins.
Kontra: "Elite" kann nicht verordnet werden
Es gehe ja nicht darum, keine Eliten zu haben, entgegnet Roland Fischer, Dekan der Fakultät für interdisziplinäre Forschung und Fortbildung der Universität Klagenfurt.

Er sei jedoch skeptisch, wenn man sozusagen Eliten mit amtlicher Bestätigung hat:

"Die Punze: jetzt bist du an dieser Universität und daher gehörst Du zur Elite. Es gibt auch so was wie die Gefahr eines Elite-Idiotentums, dass dann Gruppierungen entstehen, die nur mehr miteinander können und zum Teil dann ihr Miteinander sich darin erschöpft, sich zu erklären, dass sie die Besten sind und dem Rest der Welt es auch zu erklären", so Fischer.
Weitere Gegenargumente:
Es besteht Gefahr, dass Eliten aus den bisherigen Universitäten abgezogen werden.

Zwischen der angedachten Eliteuniversität und den bestehenden Universitäten bestehe keine Chancengleichheit was etwa die freie Auswahl an Lehrkräften oder Studierenden betrifft.

Die gleichen 100 Millionen Euro an den Wissenschaftsfonds FWF gegeben würden Breitenwirkung in ganz Österreich erzielen.

In der angedachten Eliteuni würden nur einzelne Wissenschaftsbereiche, insbesondere die Naturwissenschaftlichen Fächer gefördert. Vieles andere bliebe auf der Strecke.
Weitere Proargumente:
Außeruniversitäre Forschung sei schon bisher der universitären in vielen Bereichen - insbesondere etwa der Flexibilität - überlegen.

Ein Spitzenuni könnte zu einem "Leuchtturm" der Wissenschaft mit positivem Einfluss auf bestehende Universitäten und Auswirkungen für die ganze Region werden.

Die Eliteuni wäre eine Post-graduate-Einrichtung, stünde also in keiner direkten Konkurrenz zu bestehenden Universitäten.

Im Nahbereich anderer (US-amerikanischer) Spitzenuniversitäten haben sich auch weitere Wissenschafts- und Bildungseinrichtungen positiv entwickelt.
Bestehenden Unis darf kein Geld genommen werden
Einig war man sich nur in einem Punkt: Wie auch immer eine Eliteuni aussehen sollte, das Geld dafür dürfe jedenfalls nicht den bestehenden Universitäten weggenommen werden.

Denn dann, so eine Diskussionsteilnehmerin, hätte die neue Uni alle anderen als Feind und müsste zwangsläufig scheitern.

Franz Simbürger, Ö1-Wissenschaft, 22.4.05
->   Das Stichwort Elite-Uni im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010