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Pentaquark: Ist es - oder ist es nicht?  
  Groß war die Aufregung, als im Jahr 2003 japanische Forscher eine völlig neuartige Materiekonfiguration, das so genannte Pentaquark, nachwiesen. Ihr Ergebnis wurde daraufhin mehrfach bestätigt. Experimente an einem US-amerikanischen Teilchenbeschleuniger legen nun aber nahe, dass man jahrelang ein Phantom gejagt hat: Das Pentaquark scheint nicht zu existieren.  
Diese ernüchternde Botschaft überbringt Raffaella De Vita vom National Institute of Nuclear Physics in Genua stellvertretend für ihre Arbeitsgruppe. Die neuen Versuche mit zehnfach erhöhter Genauigkeit wurden am Thomas Jefferson National Accelerator durchgeführt.
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Raffaella De Vita präsentierte ihre Ergebnisse auf der Jahrestagung der American Physical Society, die vom 16. bis 19. April 2005 in Tampa stattfand.
->   APS-Meeting
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Merkurs mysteriöse Umlaufbahn
Im 19. Jahrhundert bemerkten Astronomen, dass mit der Umlaufbahn des Merkur um die Sonne etwas nicht stimmt. Der sonnennächste Punkt dieser Bahn, das so genannte Perihel, schien sich mit jedem Umlauf geringfügig zu verschieben. Zwar nur 42 Bogensekunden pro Jahrhundert, aber doch messbar.

Das Unangenehme daran: Diese Bewegung konnte mit der klassischen Himmelsmechanik nicht erklärt werden. Folglich musste man sich entscheiden. Entweder waren die Messungen fehlerhaft oder es irrte der Schöpfer der klassischen Himmelsmechanik, Sir Isaac Newton.
Vorhersage und Nachweis des Vulkan
Der französische Astronom Urbain Leverrier entschied sich schließlich für eine dritte Möglichkeit. Er sagte voraus, dass es innerhalb der Merkurbahn einen bisher unentdeckten Planeten geben müsse, der für die beobachteten Effekte verantwortlich sei. Leverriers Prognose wurde schnell betätigt.

Ein Amateurastronom namens Lescarbault entdeckte im Jahr 1859 einen Planeten, der daraufhin "Vulkan" getauft wurde. Bald darauf stellten sich zwar Zweifel an der Richtigkeit seiner Beobachtungen ein, dafür bestätigten andere die Vorhersage von Urbain Leverrier.

Etwa die Astronomen James Craig Watson und Lewis Swift, die schon vorher eine Reihe von Asteroiden bzw. Kometen entdeckt hatten.
Aber: Vulkan existiert nicht
Einziger Schönheitsfehler daran: Hier dürfte wohl der Wunsch Vater der Beobachtung gewesen sein. Der Planet Vulkan hat nie existiert, und es muss ihn auch gar nicht geben. Die Umlaufbahn des Merkur lässt sich - wie man heute weiß - im Rahmen der Einsteinschen Relativitätstheorie ganz zwanglos erklären.
Neuversion der Vulkan-Geschichte?
Eine Begebenheit, die heutzutage - im Zeitalter objektivierbar Messmethoden - unmöglich wäre? Wer weiß. Aktuelle Meldungen vom Treffen der "American Physical Society" weisen darauf hin, dass die Aufsehen erregende Suche nach dem so genannten Pentaquark einer ähnlichen Dramaturgie folgen könnte.
Theoretiker postulieren neuen Materiezustand
Begonnen hat die ganze Angelegenheit im Jahr 1997. Damals sagten russische Physiker die Existenz eines ungewöhnlichen Materiezustands voraus. Sie postulierten, dass sich unter gewissen Bedingungen fünf Quarks zusammenfinden und ein Pentaquark bilden könnten.

Das ist insofern erstaunlich, als Quarks normalerweise nur in Zweier- (bei Mesonen) und Dreier-Kombinationen (bei Baryonen) anzutreffen sind.
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Näheres zu Quarks
Quarks sind zusammen mit den so genannten Leptonen die grundlegenden Bestandteile der Materie. Ihr Name wurde dem Roman "Finnegans Wake" von James Joyce entlehnt. Das Quarkmodell fordert heute sechs Quarks und sechs Antiquarks.

Zunächst unterschied man nur drei Quarks: Up-, Down- und Strange-Quarks. Erweitert wurde das Modell später durch Charm- und Bottom-Quarks. Das sechste, aus Symmetriegründen geforderte Top-Quark wurde 1994 mit dem Tevatron-Beschleuniger am Fermilab bei Chicago nachgewiesen. Freie Quarks sind bis heute nicht beobachtet worden.
->   Quarks bei Wikipedia
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Bestätigung im Jahr 2003
 
Bild: Malcolm Tarlton/AIP

Im Jahr 2003 wurde diese Prognose von japanischen Forschern tatsächlich bestätigt. Ein Team um Takashi Nakano von der Universität Osaka wies mit dem Teilchenbeschleuniger SPring-8 ein Pentaquark, bestehend aus vier Quarks und einem Antiquark, nach (Bild oben).

Dabei handelte es sich allerdings um ein äußerst ephemeres Ereignis, die neuartige Teilchenkombination war gerade 10-20 Sekunden stabil, was noch kürzer ist, als der "Wimpernschlag einer Libelle" dauert.
->   Pentaquarks: Neue Materiebausteine entdeckt (3.7.03)
Viele Gruppen wurden fündig
Die Meldung löste eine ganze Lawine von weiteren Nachweisen aus. Mehr als zehn Forschergruppen durchstöberten daraufhin ihre Daten aus vorangegangenen Kollisionsexperimenten - und wurden prompt fündig. Forscher der CLAS-Kollaboration vom Jefferson Lab in Virginia wollten das Teilchen gar 50 Mal erzeugt haben.
Neues Experiment: Nichts zu sehen
Nach der Pentaquark-Euphorie macht sich nun aber Katerstimmung breit im Lager der Teilchenphysiker. Eine Gruppe um Raffaella De Vita vom National Institute of Nuclear Physics in Genua machte nun am Thomas Jefferson National Accelerator ein Kollisionsexperiment, das die rund zehnfache Genauigkeit der bisherigen Versuche erreichte.

Das Ergebnis: Weit und breit kein Pentaquark. "Es ist das erste Mal, dass wir das Problem mit wirklich guter Statistik behandeln konnten", sagt Raffaella De Vita und betont: "Wir konnten aber überhaupt nichts entdecken."
Kollektiver Irrtum?
Mittlerweile mehren sich auch andere kritische Stimmen. Curtis Meyer von der Carnegie Mellon University in Pittsburgh weist etwa darauf hin, dass die bisherigen Belege hart an der Nachweisgrenze gelegen seien. Mit anderen Worten, es könnte sich auch einfach um Hintergrundrauschen gehandelt haben.

Weitere Experimente sollen nun endgültig über Sein oder Nichtsein entscheiden. Eines davon läuft gerade an der Ohio University.

Robert Czepel, science.ORF.at, 22.4.05
->   Thomas Jefferson National Accelerator
->   Mehr zu Quarks im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010