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"Kind oder Karriere?" muss keine Alternative sein  
  "Kinder oder Karriere?" ist für viele - zumeist Frauen - noch immer eine Entscheidungsfrage. Konkrete Vorschläge, damit es speziell in der Wissenschaft zu ihr gar nicht kommen muss, wurden diese Woche bei einer Podiumsdiskussion an der Uni Wien gemacht - unter dem programmatischen Titel "Eltern schaffen Wissenschaft".  
Geschlechter-Schere v.a. oben in der Hierarchie
Dass Kinder noch immer eher ein Thema für Frauen ist, bewies schon die Zusammensetzung des Podiums, das fünf Wissenschaftlerinnen und einen Wissenschaftler vereinte. Diese Schere zwischen den Geschlechtern lässt sich auch mit statistischen Zahlen untermauern: Je höher in der Hierarchie der Universität, umso weiter geht sie auseinander.

Während laut der letzten einschlägigen Untersuchung aus dem Jahr 2002 rund elf Prozent der Studierenden in ganz Österreich Kinder haben - annähernd gleich viele bei Männern wie bei Frauen -, sieht das weiter oben anders aus: Rund 50 Prozent der Professorinnen sind Mütter, aber 80 Prozent der Professoren sind Väter.
Kinder-Entscheidung nach der Habilitation
Entscheidender Zeitpunkt für die "Entscheidung zu einem Kind" scheint die Habilitation zu sein: Während rund 30 Prozent der nicht-habilitierten Wissenschaftlerinnen mindestens ein Kind haben, steigt dies nach der Habilitation schnell auf über 50 Prozent an.
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Neue Broschüre
Präsentiert wurde bei der vom Kinderbüro der Universität veranstalteten Diskussion eine Broschüre ("Eltern schaffen Wissenschaft"), die studierende und wissenschaftlich tätige Eltern porträtiert. Sie ist kostenlos und kann (bei Übernahme der Versandkosten) im Kinderbüro bestellt werden (Tel.: 01/4277-107 01, kinderbuero@univie.ac.at). Nachdem das Projekt noch wachsen soll, freut sich das Kinderbüro über weitere an der Universität tätige oder studierende Eltern, die Ihre Erfahrungen mitteilen möchten.
->   "Elternbilder"
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Ideal flexibel - und sehr produktiv
Wissenschaftler mit Kind sind im Grunde ideale Vertreter des vielerorts geforderten flexiblen Arbeitertypus: Während sie tagsüber ihren - unbezahlten - Reproduktionsaufgaben nachgehen, arbeiten sie nachts an ihren wissenschaftlichen Karrieren, wie es die Teilnehmerinnen der Diskussion berichteten.

Mehrere Studien zeigten, dass Frauen mit Kindern besonders viel publizieren: "Um sich zu beweisen, besonders produktiv zu sein", wie es Barbara Zimmermann ausdrückte, Archäologin und Leiterin der Abteilung für Frauen und Mobilitätsprogramme beim FWF (zwei Kinder). Dies sei aber etwa bei Geisteswissenschaftlerinnen einfacher als in der Medizin, wo der Schreibtisch als Arbeitsunterlage nicht ausreicht.

Hand in Hand geht dieser Selbstbeweis nach Einschätzung der Diskutanten oft mit der Entwicklung eines "schlechten Gewissens". Dies zu bekämpfen, reiche aber nicht aus, meinte etwa der Theologe Robert Schelander (fünf Kinder).
Steuerrecht, Teilzeitjobs und Grundversorgung
Somit stellten die Teilnehmerinnen auch eine Reihe von materiellen Forderungen auf - zum Teil sind sie genauso lange bekannt wie unerfüllt: Die Medizinerin Christine Marosi (ein Kind) etwa wünschte sich die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuung, die Germanistin Anna Babka (ein Kind) sprach sich für einen Strukturwandel der Beschäftigungsverhältnisse auch an den Universitäten - sprich mehr Teilzeitjobs - aus und die Psychologie-Studentin und ÖH-Vorsitzende Patrice Fuchs (zwei Kinder) forderte eine Grundversorgung analog zum Arbeitslosengeld.

Dazu gesellen sich aber auch eine Reihe weniger handgreiflicher Qualitäten, die für eine bessere Vereinbarkeit von Wissenschaft und Kindern vonnöten sind: "Viel Mut" (Zimmermann), "Konsequenz"
(Literaturwissenschaftlerin Christina Pinkernell; zwei Kinder) und "Anerkennung durch Freunde und Familie" (Babka).

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 27.4.05
->   Kinderbüro der Uni Wien
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01.01.2010