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Buch: Frauen Triebfeder menschlicher Evolution  
  Ein neues Buch zum Thema Gehirn und Evolution wartet mit einer interessanten These auf: Die tägliche Arbeit der Frauen ermöglichte die Bildung des enormen Hirnvolumens, das unsere Spezies auszeichnet.  
Eine These wackelt: Hirn durch Fleischkonsum

Viele Anthropologen gehen davon aus, dass erst der regelmäßige Verzehr von Fleisch vor etwa 2 Millionen Jahren den Menschen zum Menschen gemacht hat. Doch Studien an heute noch lebenden Jäger-und-Sammler-Völkern lassen zunehmend Zweifel an dieser Hypothese aufkommen.

Ob Buschleute in der Kalahari oder Achè im Amazonasregenwald - es bietet sich immer das selbe Bild: Die Männer sind auf der Jagd geradezu erbarmungswürdig erfolglos.

So erlegen beispielsweise die im südlichen Afrika lebenden Kung-San nicht mehr als 2 oder 3 größere Antilopen pro Jahr. Damit lässt sich nur schwer eine Familie ernähren.
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Der domestizierte Affe: Die Evolution des menschlichen Gehirns, von Peter F. Weber, Walter Verlag, Düsseldorf 2005.
248 Seiten, ¿ 20,50
->   Website zum Buch
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Tägliche Proteinration nötig
Genau an diesem Punkt hakt Peter F. Weber in seinem Buch "Der domestizierte Affe" ein. Er weist darauf hin, dass das Gehirn eines neugeborenen Kindes rund Dreiviertel der gesamten Stoffwechselenergie verschlingt.

Das heißt aber auch, dass das wachsende Gehirn regelmäßig hochwertige Nahrung benötigt - und zwar täglich, und nicht zwei oder drei mal pro Jahr einen Brocken Fleisch.
Frauen erwirtschaften bis zu 12.000 kcal täglich
US-amerikanische Anthropologen konnten in den vergangenen Jahren zeigen, dass es bei Jäger und Sammlern vor allem die Frauen sind, welche die Nahrung für die Familie ins Lager bringen, und nicht die Männer.

Bei den in Tansania lebenden Hadzabe kann eine Sammlerin pro Stunde Wurzeln und Knollen mit einem Nährwert von 2.000 kcal ausgraben; erfahrene, ältere Frauen bringen es an einem einzigen Tag oft auf 12.000 kcal. Und entsprechend korreliert das Körpergewicht der Kinder mit dem Gewicht der Mütter oder der Großmütter, nicht aber mit dem des Vaters.
Die "Großmutterhypothese"
Die so genannte "Großmutterhypothese" erfreut sich in Anthropologenkreisen zunehmender Beliebtheit. Diese besagt , dass bei Erscheinen der Gattung "Homo" vor rund 2 Millionen Jahren es vor allem die älteren Frauen waren, die für die Ernährung der Familie sorgten.

"Demnach waren Frauen die Triebfeder der menschlichen Evolution, nicht die Männer", so der Autor. Mit dieser "Großmutterhypothese" lässt sich nicht nur die außergewöhnliche Langlebigkeit des Menschen erklären, sondern auch zeigen, woher Urmenschen die Energie für ihr riesiges Gehirn bezogen.
Konzept der Sprachareale überholt?
Der zweite Teil des Buches widmet sich ganz dem menschlichen Gehirn. Überraschend darin etwa die Erkenntnis, dass das alte Konzept der Sprachareale im Gehirn von Fachleuten zusehends aufgegeben wird.

Die bekannten Broca- und Wernicke-Areale sind zwar unter anderem mit Sprache befasst. Diese Begriffe jedoch als Synonyme für "Sprachregion" zu verwenden, kommt offenbar aus der Mode.

Vor allem das im linken Stirnlappen gelegene Broca-Areal scheint nur indirekt mit Sprache zu tun zu haben: Nämlich dann, wenn komplexe Sätze analysiert werden.

[science.ORF.at, 29.4.05]
 
 
 
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01.01.2010