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Innsbrucker Ethnologen erstellen Lexikon der Dämonen  
  Unsere Vorfahren haben sich Phänomene wie Blitz und Donner oder Zahn- und Bauchweh oft mit der Macht von Dämonen, Kobolden, Hexen und Engeln erklärt. Ein Innsbrucker Forschungsteam untersucht die Geschichte des Aberglaubens und ihrer übernatürlichen Protagonisten. Das Ziel: ein dämonologisches Lexikon.  
Odin verantwortlich für Stürme
Wenn heute ein Orkan über Europa hinwegfegt, wissen wir, welche meteorologischen Phänomene dafür verantwortlich sind. Aber wie haben sich unsere Vorfahren vor dreitausend Jahren einen zerstörerischen Windsturm erklärt? Beispielsweise mit der Macht des germanischen Gottes Odin, dessen Zorn die Menschen in Form des unheilvollen Sturmtiefs getroffen hat.

Im Mittelalter war der Orkan Teufels Werk, in der Renaissance die Tat eines Wettergeistes. Selbst die Gelehrten des alten Ägypten und der griechischen Antike hatten so manches Unheil als Ergebnis dämonischen Wirkens interpretiert.
Jede Kultur hatte ihre Geister
Die Vorstellung von Dämonen, Geister und Elementarwesen ist so alt wie die Menschheit selbst. Jede Kultur und Epoche hatte ihre übernatürliche Wesenheiten, die für unerklärbare Phänomene verantwortlich gemacht wurden. Es war der Versuch, die Welt auf diese Weise zu verstehen und zu erklären.
Uni Innsbruck: Lexikon der Dämonen in Europa
Ordnung in die Vielzahl der dämonologischen Gestalten im europäischen Kulturraum bringt nun mit Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF Leander Petzoldt vom Innsbrucker Institut für Europäische Ethnologie .

Anhand mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Dämonologien, volkskundlicher Sammlungen von Zauber- und Segenssprüchen sowie zahlreicher Dialektsammlungen und früher medizinisch-astrologische Abhandlungen erstellt der Volkskundler gemeinsam mit seinem Forschungsteam ein dämonologisches Lexikon aller tradierten übernatürlichen Wesen.
Personifikation der Natur, des Wetters und von Krankheiten
Die einzelnen Dämonen - mehrere tausende Figuren sind bekannt - werden anhand ihrer frühesten Erwähnungen und Beschreibungen in einen geistesgeschichtlichen Kontext gestellt und ein genaues Bild über Glaubensintensität und -kontinuität, Frequenz und Verbreitung der einzelnen Wesen entworfen.

"Als Personifikation einzelner Naturerscheinungen und Konkretisierungen meteorologischer Vorgänge ebenso wie körperlicher Krankheiten und psychischer Ängste beruht die Vorstellung von Natur- und Elementargeistern auf dem religionsgeschichtlichen Konzept des Animismus, laut dessen alles aus der Natur entspringt", erläutert Petzoldt das vom FWF geförderte Projekt.
Zahnschmerzen kommen vom "bösen Wurm"
"Für alles Unerklärliche in der Umwelt war ein Dämon zuständig." Zahnschmerzen wurden beispielsweise im Mittelalter mit einem bösen Wurm in Verbindung gebracht. In den Merzeburger Zaubersprüchen gibt es dazu den Heilschwur "Gang ut, nesso" - "Geh raus, Wurm" -, mit dem man den Übeltäter verwünschen wollte.
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Mittler zwischen Göttern und Menschen
Unter dem Begriff "Dämon" versteht man allerdings nicht nur böse, menschenfeindliche Geschöpfe. "Die Grundbedeutung des Wortes ´Daimon´ weist auf den Vorgang des Teilens, Zuteilens hin. Gemeint ist damit das Schicksal, das jedem Wesen bei der Geburt zugeteilt wird", so der Volkskundler.

"Diese Wesen gelten als Mittler zwischen Göttern und Menschen, da gibt natürlich auch gute Dämonen wie Engel oder Feen, die die Menschen zur Unterstützung, Heilung oder Weissagung beschworen haben." Erst im Zuge der Christianisierung sind die meisten übernatürlichen Wesen verteufelt worden.
->   Mehr über Dämonen in Wikipedia.de
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Heute wichtiger Teil von Film und Fernsehen
Die Vorstellung von Dämonen reicht bis in die Antike zurück, aber auch noch im 16., 17. und 18. Jahrhundert wird der Glaube über die zeitgenössische Literatur bekannter Gelehrter wie beispielsweise Paracelsus ebenso wie Volkserzählungen und Sagen verbreitet.

"Und trotz der jahrhundertelangen Tendenz zur Rationalisierung ist dieser Glaube an Dämonen nie verschwunden. Ganz im Gegenteil sind übernatürliche Wesen heutzutage wichtiger Teil des Film und Fernsehens sowie der Literatur."
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Beispiel: Gollum aus "Herr der Ringe"
Das böse Wesen "Gollum" aus Tolkiens "Herr der Ringe" spiegelt beispielsweise einen klassischen Dämon wider. "Die Verarbeitung derartiger Figuren in Werken der Hochliteratur, in Filmen, Fernsehserien und Comics soll das Bild der einzelnen Dämonen noch abrunden", resümiert Petzoldt.
->   Zur Film-Website
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15 Bände zur Sagenwelt bereits erschienen
Das dämonologische Lexikon soll in den nächsten Monaten fertiggestellt und in Buchform publiziert werden. Erste Eindrücke des heimischen Dämonenglaubens bietet die reichhaltige Sagenwelt Österreichs. Dazu hat Leander Petzoldt bereits ein Kompendium von 15 Bänden - unter anderem je einen Band für jedes Bundesland - veröffentlicht.

Eva-Maria Gruber, Universum Magazin, 3.5.05
->   Universum Magazin
->   Institut für Europäische Ethnologie
->   Wissenschaftsfonds (FWF)
 
 
 
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01.01.2010