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Food-Design: Wie unser Essen zu Hülle und Fülle kam  
  Wie kam die Wurst in den Hotdog? Warum wird Kaffee mit Zuckerwürfeln gesüßt und nicht mit Zuckerkugeln? Ein Wiener Architektenduo hat das Design von Lebensmitteln hinterfragt. Form und Funktion von Semmel, Zuckerwürfel, Mozartkugel und Fischstäbchen - abgesehen von der Kalorienzufuhr - sind nachzulesen in dem neuen Buch "Food Design. Von der Funktion zum Genuss."  
Wie klingt Essen? Wie fühlt es sich an?
Bild: Springer Verlag
Das Knacken beim Biss in ein Frankfurter-Würstl; das Gefühl von flaumigen Salzburger Nockerln am Gaumen. Form und Farbe, Geruch und Geräusch spielen beim Essen eine große Rolle, nicht nur Geschmack und Kalorienzufuhr.

Dem Design von Essen hat sich das Wiener Architektenduo Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter gewidmet.
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"Food Design. Von der Funktion zum Genuss." von Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter ist im Springer-Verlag erschienen.
->   Springer-Verlag
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Optik, Symbolik: Milchzopf und antikes Haaropfer
 
Bild: Springer Verlag

Design - die bewusste Gestaltung, die mehr als schönes Aussehen zum Ziel hat - lässt sich schon vor Jahrhunderten an Lebensmitteln belegen, sagt Sonja Stummerer im ORF-Interview.

Symbolische Opfergaben aus Brotteig seien wohl die ältesten Beispiele für Food-Design und sie haben sich bis heute gehalten, z.B. in Form von Striezel oder Zopf:

"Der Zopf geht zurück auf das in der Antike übliche Haaropfer. Man schnitt sich die Haare ab und brachte sie als Opfergabe dar. Aus dieser Form hat sich der Striezel als Ersatz für das Haaropfer entwickelt."
Heikle, heilige Speisen
Bild: Springer Verlag
"Ohne es zu wissen verzehren wir z.B. mit dem Striezel religiöse Symbole. Interessant ist, dass wir heute einen Nikolaus aus Schokolade ohne Skrupel essen, hingegen wird ein Schoko-Kruzifix als Sakrileg betrachtet," so Sonja Stummerer.

Für das Buch "Food Design. Von der Funktion zum Genuss" wurden allerhand Beispiele recherchiert. Z.B. warum Butterkekse wie Briefmarken mit Zähnen umrandet sind: Die Einkerbungen mögen hübsch anzusehen und ein Markenzeichen sein, doch helfen sie schlichtweg, den gebackenen Teig aus der Form zu lösen.
Wie wird der Fisch zum Stäbchen?
Bild: Springer Verlag
Bei Fischstäbchen spricht die Transporttauglichkeit für die Form. Bei den panierten Fischfiletstücken sei überraschend, meinen die Autoren, dass die Vorteile des Transports gegenüber den Verlusten bei der Herstellung überwiegen.

Fische sind ja bekanntlich selten eckig, insofern ist das Herausschneiden der rechteckigen Riegel nicht unbedingt ressourcenschonend.

Außerdem sei die Entfremdung wohl das Erfolgsgeheimnis - außen knusprig, innen weich, kein Kind denkt beim ersten Anblick an Fisch.
Entscheidend für das Wurst-Design ist die Semmel
Bild: Springer Verlag
Toastschinken und Scheiblettenkäse - nahe liegend, woher die quadratische Form fernab von Käselaib oder Schwein kommt: Es muss zwischen zwei Toastbrotscheiben passen. Und der Radius der Wurst hat ebenfalls mit der Größe von Semmel oder Weckerl zu tun. Für Martin Hablesreiter steckt gerade in der Wurstsemmel sehr viel Design:

"Die Wurstsemmel ist ein gutes Beispiel dafür, dass ein Nahrungsmittel in Abhängigkeit zu einem anderen Nahrungsmittel entwickelt wurde. So war die Wurstform Jahrtausende lang von den Gedärmen anhängig, in die sie eingefüllt wurde - sei es nun Schaf, Pferd oder Rind. In den 70er Jahren wurde dann ein Kunstdarm entwickelt, der in weiterer Folge die Normierung der Wurstdurchmesser ermöglichte. Im deutschsprachigen Raum einigte man sich darauf, die Aufschnittwürste auf 90 Millimeter zu normen, damit sie exakt in eine Semmel passen."
Hotdog - nichts als Verpackung?
Wurst in Brot verpackt - das ist dem Buch Food-Design zufolge auch die Erklärung für die Erfindung des Hotdogs vor gut 100 Jahren: So wurden die Hände beim Genuss heißer Würste nicht mehr fettig und appetitlicher als Zeitungspapier war die Brothülle auch.
Re-Design der Semmel
Und auf die Frage, bei welchem Produkt eine Überarbeitung des Designs anstehe, meinen die Autoren einhellig: bei der Semmel.

Sonja Stummerer: "Die Semmel ist etwa im Jahr 1790 erfunden worden und hat bis heute die charakteristischen fünf Teile - was ein Teilen der Semmel in zwei gleiche Hälften unmöglich macht. Im Zeitalter des Sandwich wäre ein Re-Design sinnvoll - z.B. dass man Wurst oder Käse gleich horizontal einlegen kann."

Barbara Daser, Ö1-Wissenschaft, 2.5.05
 
 
 
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01.01.2010