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Akupunktur-Effekt im Gehirn nachweisbar  
  Akupunktur hilft nicht nur gegen Schmerzen, sie löst auch nachweisbare Effekte im Gehirn aus. Das fanden britische Forscher heraus, die für ihre Studie in die medizinische Zauberkiste griffen. Um den Anteil des Placebo-Effekts abschätzen zu können, verwendeten sie Trick-Nadeln, mit denen sie ihre Probanden hinters Licht führten.  
Wie ein Team um George Lewith von der University of Southampton berichtet, aktiviert selbst die Behandlung mit Placebo-Nadeln gewisse Schmerzzentren in der Großhirnrinde. Die echte Akupunktur erregt darüber hinaus noch ein weiteres Areal, über dessen Aufgaben man noch relativ wenig weiß.
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Die Studie "Expectancy and belief modulate the neuronal substrates of pain treated by acupuncture" von J. Pariente et al. erschien im Fachjournal "Neuroimage" (Band 25, S.1161-7.).
->   Zum Abstract der Studie bei PubMed
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Wirkung klinisch nachgewiesen
Akupunktur wirkt klinisch, vor allem in der Schmerztherapie. Daran zweifeln selbst die größten Skeptiker unter den Schulmedizinern nicht. Weniger ist allerdings über den Mechanismus bekannt, der dahinter steht.

Nachgewiesen werden konnte bisher etwa, dass die Stimulation von speziellen Akupunktur-Punkten auf den Füßen eine ähnliche Reaktion im Gehirn auslöst, wie es die direkte Reizung des Auges durch Licht vermag. Ähnliche Effekte kennt man von Akupunktur-Punkten, die die Hände repräsentieren.
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Akupunktur
Das Verfahren der Akupunktur stammt aus der altchinesischen Medizin, nach deren Verständnis das Einstechen von Nadeln an bestimmten Körperstellen zu einer Harmonisierung der Lebensenergie und dem Zusammenspiel der Organe führen soll. Aus westlicher Sicht wirken die durch Nadelstiche gereizten Hautstellen und Muskeln über Nervenverbindungen auf die inneren Organe. Schulmedizinisch nachgewiesen ist etwa die so genannte analgetische Wirkung der Akupunktur, also die Linderung von Schmerzen.
->   Mehr dazu bei Wkipedia
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Auch Stiche an falscher Stelle wirken
Allerdings lösen selbst an der falschen Stelle gesetzte Nadelstiche physiologische Effekte aus, wie etwa eine soeben erschienene Studie von Forschern der TU-München (JAMA 293, S. 2118) zeigt:

Sie konnten die Schmerzen von Migräne-Patienten auch mit vorgetäuschter Akupunktur (echte Nadeln, aber falsche Punkte) maßgeblich reduzieren, kamen jedoch zu keinem besseren Ergebnis, wenn sie die Stiche an den richtigen Akupunkturpunkten setzten.

Das führt zur Frage: Gibt es überhaupt spezifische Akupunktur-Effekte? Und wenn ja: Wie kann man "echte", unspezifische und Placebo-Wirkungen auseinander halten?
->   Zum Abstract der Studie in JAMA
Ausgeklügelter Behandlungs-Mix
Der Klärung genau dieser Frage haben sich nun Forscher um George Lewith von der University of Southampton angenommen. Sie unterzogen 14 Patienten, die unter Osteoarthritis des Daumens leiden, einer echten Akupunkturtherapie sowie zwei weiteren Behandlungen.

Eine davon wurde mit stumpfen Nadeln durchgeführt, mit denen die Haut nicht durchstoßen werden kann. Die Probanden wurden davon in Kenntnis gesetzt - und glaubten folglich an keine allfällige Wirksamkeit des Eingriffs.
Der Trick mit den Placebo-Nadeln
Wirklich trickreich gingen die britischen Forscher in der dritten Behandlungsgrunde vor: Dabei setzten sie spezielle Placebo-Nadeln ein, die im Jahr 1998 vom Heidelberger Mediziner Konrad Streitberger entwickelt wurden (Lancet 352, S. 992).

Diese sind äußerlich nicht von echten Akupunkturnadeln zu unterscheiden, funktionieren aber ähnlich wie Stichwaffen im Filmgeschäft: Sie verkürzen sich unter Druck wie ein Teleskop und gaukeln auf diese Weise einen Einstich vor.

In diesem Fall ließen die Forscher die Patienten jedoch im Glauben, es habe sich um echte Akupunktur gehandelt: also der klassische Fall einer Placebosituation.
->   Zum Abstract der Studie in Lancet
Schmerzzentren im Gehirn erregt
Scans mittels Positronenemissionstomographie (PET) zeigten schließlich, was während der Sitzungen im Gehirn passierte. Das Ergebnis: Die Behandlung mit Akupunktur - wie auch mit Streitberger-Nadeln führte zu einer Aktivierung von Arealen der Großhirnrinde, die unter anderem mit der Verarbeitung von Schmerzsignalen betraut sind.

Die Erwartungshaltung der Probanden spielt also tatsächlich eine große Rolle. Das steht auch im Einklang mit vorhergehenden Akupunktur-Studien, denen zufolge bis zu 80 Prozent der Schmerzlinderung auf das Konto des Placebo-Effekts gehen.
->   PET bei Wikipedia
Mehr als nur Placebo
Darüber hinaus bewirkte die echte Akupunktur einen zusätzlichen, physiologischen Effekt: Bei dieser wurde nämlich die so genannte laterale Insula aktiviert, eine Gehirnregion, die mechanische Sinnesreize verarbeitet.

Könnte dieses Zusatzsignal durch unterschiedliche Tastempfindungen der beiden Nadeltypen zustande gekommen sein?

Nein, betonen Lewith und Mitarbeiter in ihrer Studie: Die beiden waren von den Patienten nicht zu unterscheiden, der Unterschied ist also real. Was das neurobiologisch im Detail bedeutet, sei hingegen noch weitgehend unklar.

[science.ORF.at, 4.5.05]
->   University of Southampton
->   Das Stichwort Akupunktur im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010