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Balance der Sexualhormone beeinflusst Angstrisiko  
  Die Angst der Menschen hat viele Gesichter: Die Beobachtung von Vorgängen im Gehirn führt auf eine Spur. Schon seit längerem ist bekannt, dass die Dichte von Rezeptoren des Nervenbotenstoffs Serotonin mit dem Grad der Ängstlichkeit zusammenhängen. Forscher am Wiener AKH konnten nun auch einen direkten Zusammenhang zwischen Sexualhormonen und diesen Bindungsstellen im menschlichen Gehirn nachweisen.  
Dass mehr männliche Geschlechtshormone im Blut mit einem geringeren Risiko einhergehen, an Angsterkrankungen zu leiden, ist laut Rupert Lanzenberger von der Medizinuni Wien zwar bei Menschen noch nicht klinisch bewiesen. Der Schluss liegt aber nahe, so der Mediziner und Hirnforscher gegenüber science.ORF.at.

Sein interdisziplinäres Team hofft, mit den Forschungen neue Ansätze für die Therapie von Angsterkrankungen zu finden. Die Resultate sollen beim Weltkongress für Biologische Psychiatrie in Wien vorgestellt werden.
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Der Weltkongress für Biologische Psychiatrie findet vom 28. Juni bis 3. Juli 2005 in Wien statt.
->   Der Weltkongress
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Wechselwirkung von Serotonin und Sexualhormonen
Dass sowohl Sexualhormone als auch die Nervenbotenstoffe Serotonin oder Dopamin bedeutsam sind für den Gefühlshaushalt der Menschen, ist lange bekannt. Auf der einen Seite wird ein Ungleichgewicht des so genannten serotonergen Systems mit der Entstehung psychischer Erkrankungen wie Angststörungen und Depression in Zusammenhang gebracht.

Sexualhormone beeinflussen auf der anderen Seite die Entwicklung und Aktivität des Gehirns:
Ihr Einfluss kann von den meisten Menschen selbst beobachtet werden - wie z.B. im Laufe der Pubertät oder im Rahmen des Menstruationszyklus. Psychische Veränderungen sind auch bei Erwachsenen bei Änderungen der Hormonkonzentrationen nachgewiesen worden.

Dem genauen Zusammenhang der Steroidhormone - wie Testosteron oder Östrogen - mit dem Neurotransmitter Serotonin geht seit einiger Zeit das Team vom Wiener AKH nach.
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Auf der Suche nach Probanden
Für ihre Studien sind die Forscher auf der Suche nach Probanden: momentan konkret nach Menschen, die unter einer Panikerkrankung und Sozialphobie leiden und bisher noch nicht medikamentös behandelt wurden. Bei Interesse wenden Sie sich an Dr. Lanzenberger, Telefon: 0699-11419029 (Studienhandy), Email: rupert.lanzenberger@meduniwien.ac.at.
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Rezeptoren als zentrale Steuerelemente
Unter Verwendung von Gehirnscans (Positronen-Emissions-Tomographie) wiesen die Forscher die Wechselwirkung von Steroidhormonen und einer besonders wichtigen Bindungsstelle für Serotonin - dem so genannten Serotonin-1A-Rezeptor (5-HT1A) - nach.

"Die Sexualhormone wie Testosteron, Östrogen oder Progesteron modulieren die Bildung dieser Rezeptoren, die ein zentrales Steuerelement des serotonergen Systems darstellen", so Lanzenberger gegenüber science.ORF.at.
Mehr Testosteron - weniger Angst
Sie stehen zueinander in einem inversen Verhältnis: Je mehr weibliche in Relation zu männlichen Hormonen, desto weniger Rezeptoren lassen sich im Gehirn von Männern finden, und umgekehrt. Weniger Rezeptoren bedeuten eine erhöhte Ausschüttung des Nervenbotenstoffes Serotonin unter Stressbedingungen - und das wiederum lässt ein erhöhtes Risiko für Angsterkrankungen vermuten.

Zwar ist dies, wie Lanzenberger betont, klinisch noch nicht bewiesen. Aber von Krankheiten wie etwa der Depression sei bekannt, dass es sowohl zu Veränderungen des hormonellen wie auch des serotonergen Systems komme.
Weniger Rezeptoren, höheres Angstrisiko
"Bei Angsterkrankungen ist die Zahl der Serotonin-Rezeptoren etwa im Mandelkern des Gehirns deutlich reduziert", so Lanzenberger. Und eine erniedrigte Aktivierungsschwelle der Amygdala erhöhe die Wahrscheinlichkeit im Laufe des Lebens an einer Angsterkrankung zu leiden.

Insbesondere der Einfluss von Stress und die Ausschüttung entsprechender Hormone verstärken diesen Effekt.
Besondere Rolle von Progesteron
Eine besondere Rolle für den Serotoninhaushalt - und damit auch für das "Angstpotenzial" - könnte das auch bei Männern vorkommende Sexualhormon Progesteron spielen.

Von weiblichen Primaten etwa sei bekannt, dass es zyklischen Schwankungen des Serotonin-Rezeptorenspiegels gibt, so Lanzenberger.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 6.5.05
->   Klinische Abteilung für Allgemeine Psychiatrie, AKH Wien
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01.01.2010