News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Neuro-Beweise: Duftstoffe beeinflussen Partnerwahl  
  Liebe geht offenbar auch durch die Nase: Schwedische Forscher fanden neurobiologische Beweise, dass Frauen und Männer bei der Wahl ihrer Sexualpartner durch Duftstoffe aus Körperflüssigkeiten beeinflusst werden. Interessant dabei: Homosexuelle Männer reagieren in dieser Hinsicht wie Frauen.  
Wie ein Team um Ivanka Sacic vom Karolinska Institut in Stockholm berichtet, finden sich im Schweiß und Urin bestimmte Steroide, die per Geruchssinn wahrgenommen werden. Je nach sexueller Orientierung erregen unterschiedliche Substanzen eine Gehirnregion, die mit der Steuerung des Sexualverhaltens befasst ist.
...
Die Studie "Brain response to putative pheromones in homosexual men" von Ivanka Savic et al. erschien im Fachjournal "Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA" (Band 102, S. 7356; doi: 10.1073/pnas.0407998102; 9. Mai 2005).
->   Abstract der Studie
...
Auf Partnersuche? Immer der Nase nach
Die Chemie muss bekanntlich stimmen, wenn man sich für einen Partner entscheidet, und zwar durchaus im wörtlichen Sinn. Sex hat im Tierreich sehr viel mit dem chemischen Sinn zu tun, den wir Geruch oder Geschmack nennen: bei Motten etwa, wie jeder weiß, der im Haushalt schon einmal eine so genannte Pheromonfalle eingesetzt hat.

Bei Wirbeltieren läuft die Partnersuche zwar etwas komplizierter ab, aber auch sie orientieren sich an den so genannten Pheromonen - Signalstoffen, die außerhalb des Körpers wirken.

Sie tun das mit dem so genannten Vomeronasalorgan, das über den Riechnerv mit dem Gehirn verbunden ist und so das Verhalten beeinflusst.
->   Mehr zu Pheromonen bei Wikipedia
Pheromone beim Menschen
Die Frage, ob es auch beim Menschen ähnliche Mechanismen gibt, war lange Zeit umstritten. So wusste man etwa nicht, ob Homo sapiens dieses Organ, das vom dänischen Arzt Ludvig Levin Jacobson erstmals im 19. Jahrhundert beschrieben wurde, überhaupt besitzt.

Dieses Problem dürfte mittlerweile gelöst sein. In der menschlichen Nasenschleimhaut wurde nämlich ein blind endender Schlauch gefunden, der offenbar der Wahrnehmung von Pheromonen dient.

Nicht geklärt ist indes die Frage, wie die chemischen Signale ihren Weg ins Gehirn finden, da das menschliche Vomeronasalorgan keine gesonderten Nervenverbindungen aufweist (Current Biology 12, R807).
Steroide für die Nase
Irgendwie muss das aber funktionieren, denn es gibt eine Reihe von chemischen Verbindungen, die das autonome Nervensystem, die Stimmung und vor allem die sexuelle Erregung des Menschen via Geruchsempfindungen beeinflussen.

Zwei Beispiele dafür sind der Testosteron-Abkömmling "AND" sowie das Steroid "EST", das eine Ähnlichkeit zum Östrogen aufweist. Ersteres wurde unter anderem im Schweiß von Männern nachgewiesen, letzteres im Urin von Frauen.
Sexualzentrum im Gehirn wird aktiviert
Ein Team um Ivanka Sacic vom Karolinska Institut in Stockholm konnte vor drei Jahren zeigen, dass die beiden Stoffe so etwas wie ein Kennsignal für mögliche Sexualpartner darstellen (Neuron 31, S.661):

Riechen Frauen an einer Probe AND, dann führt das zu einer Aktivierung des anterioren Hypothalamus - eine Gehirnregion, von der man weiß, dass sie u.a. die sexuelle Aktivität steuert. Hält man Frauen hingegen eine EST-Probe unter die Nase, passiert nichts. Sprich: Die Nervenzellen im Hypothalamus schweigen.
->   Mehr zum Hypothalamus bei Wikipedia
Ein Signalstoff für die Frau, einer für den Mann
Interessant ist nun, dass es sich bei Männern genau umgekehrt verhält: Sie (bzw. ihr vorderer Hypothalamus) reagieren auf EST, aber nicht auf AND. Das wirft die Frage auf: Ist das nun Ausdruck des biologischen Geschlechts oder hat es mit der sexuellen Orientierung zu tun?

Das klärten nun Sacic und Mitarbeiter, indem sie die Gehirne von homosexuellen Männern mittels Magnetresonanzimaging untersuchten und mit jenen von Heterosexuellen beiderlei Geschlechts verglichen.
Homosexuelle Männer reagieren wie Frauen
Das Ergebnis: Homosexuelle Männer reagieren, was Pheromonsignale betrifft, wie Frauen. Die EST- und AND-vermittelten Signale drücken offensichtlich aus, welches Geschlecht man persönlich attraktiv findet, und zwar unabhängig davon, ob man nun weiblich oder männlich ist.
Ursache noch unklar
Warum das so ist, können Sacic und Mitarbeiter allerdings nicht genau sagen. Eine Erklärung wäre etwa, dass der vordere Hypothalamus bei homo- und heterosexuellen Männern unterschiedlich gestaltet ist und daher anders reagiert.

Denkmöglich wäre auch, dass Frauen und homosexuelle Männer aufgrund ihrer Lebenspraxis gelernt haben, den Duft von AND einfach mit Sex zu assoziieren.

Diese Hypothesen sind, wie die schwedischen Forscher betonen, aufgrund der bisherigen Versuche nicht zu unterscheiden. Das müssen zukünftige Studien zeigen.

Robert Czepel, science.ORF.at, 10.5.05
->   Karolinska Institutet
->   Das Stichwort Pheromone im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010