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Würfelquallen: Getrübter Sehsinn trotz 24 Augen  
  Würfelquallen haben mehr zu bieten, als ihr eher unansehnliches Äußeres vermuten ließe: Die Cubozoa verfügen über einen ausgeprägten Sehsinn, dem nun schwedische Forscher auf den Grund gingen. Sie entdeckten ein komplexes Linsen- und Netzhautsystem. Wozu es dient, bleibt aber ungeklärt. Denn die Linsen könnten zwar komplexe Bilder produzieren. Jedoch stimmt der Abstand zwischen Linse und Netzhaut nicht, weshalb nur unscharfe Bilder entstehen. Und zur zentralen Auswertung ihrer "Panoramaaufnahmen" fehlt den Quallen das Gehirn.  
Anscheinend werden die über die Augen eintreffenden Reize ohne zentrale Verarbeitung direkt an jene Körperteile der Quallen weitergeleitet, die ihre Bewegung steuern.
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Die Studie "Advanced optics in a jellyfish eye" von Dan-E. Nilsson und Kollegen (Universität Lund ) ist am 12. Mai 2005 in "Nature" erschienen (Band 435, S. 201-205, Doi:10.1038/nature03484).
->   Nature
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Hierarchischer Prozess der Informationsverarbeitung
Der Sehsinn wurde bisher als ein hierarchischer Prozess zur Informationsverarbeitung verstanden: Alles beginnt auf Ebene der Netzhaut, wo die Rohdaten aufgenommen werden. Danach dringen die Eindrücke in immer höhere Ebenen der Reizverarbeitung vor.

Währenddessen werden Elemente, die für das Lebewesen nicht wichtig sind, ausgefiltert. Im Verarbeitungszentrum - beim Menschen etwa das Gehirn - werden die Bilder schließlich in Bewegungsreize übersetzt.
->   Mehr zum Sehsinn bei Wikipedia.de
Würfelqualle mit 24 Augen
Bild: Nature
Der Sehsinn der Würfelquallen widerlegt dieses Verständnis. Die Bewohner von tropischen, inselreichen Meeren sind wahre Vielseher.

Sie verfügen regelmäßig auf ihrer Außenhaut angeordnet über vier "Rhopalien", Sinnesorgan-Komplexe, die wiederum sechs verschieden leistungsfähige Sehorgane beherbergen.

Insgesamt verfügen die Cubozoa demnach über 24 Augen - darunter sowohl hochkomplexe Linsen als auch "einfache" lichtempfindliche Sensoren.
Trotz Hightech entstehen nur unscharfe Bilder
Interessant an den Würfelquallen ist aber nicht nur die Zahl ihrer Augen, sondern auch die Beschaffenheit einzelner Linsen. Wie die Biologen rund um Dan Nilsson herausfanden, verfügen die acht leistungsfähigsten Augen über Linsen, die das Licht so brechen, dass ein relativ unverzerrtes Bild entsteht.

Doch die beste Technik nützt in diesem Fall nichts. Denn die Netzhaut liegt in den acht Augen so, dass nur unscharfe Bilder entstehen.
Sehsinn zum Ausweichen, nicht für die Jagd
Die Quallen gebrauchen die Augen mit den Linsen also eher zum Ausweichen vor Hindernissen als etwa für die zielgerichtete Jagd auf Beute, erläutern die Forscher um den Biologen Dan Nilsson.

Und obwohl sie prinzipiell dazu imstande wären, "Panoramabilder" zu erzeugen, können sie es nicht. Denn dazu müssten die eingehenden Bilder zu 3-D zusammengebaut werden, und dazu fehlt ihnen eine zentrale Nerveneinheit.
Ohne Gehirn unfallfrei schwimmen
Rüdiger Wehner, Zoologe der Universität Zürich, weist in einem die Studie begleitenden Kommentar darauf hin, dass man es bei den Quallen mit einem extrem "flachen" Nervensystem zu tun hat: Anstatt dass die eingehenden Reize zentral ausgewertet werden, scheint die Kommunikation zwischen den Augen und steuernden Körperteilen direkt zu funktionieren.

"Offensichtlich", so Wehner, "gab es für die Quallen keinen Grund, ihre 24 Augen zu einer zentralen Verarbeitungseinheit zuzuordnen". Oder mit anderen Worten: Auch hirnlos lässt es sich unfallfrei schwimmen.

[science.ORF.at, 12.5.05]
->   Institut für Biologie (Lund Universität)
Mehr über Quallen in science.ORF.at:
->   Gifttiere im Meer: Wie man sich davor schützen kann (27.6.03)
->   500 Millionen Jahre alte Quallenfossilien gefunden (28.1.02)
 
 
 
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01.01.2010