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Hälfte aller Schüler "arbeitet" mehr als 40 Stunden  
  Mehr als die Hälfte aller Schüler und Schülerinnen Österreichs benötigt mehr als 40 Stunden pro Woche für schulische Arbeiten. Dies zeigt eine aktuelle Studie, die auch Modelle für leistungsfördernde Lernsituationen liefert. Die Bildungspsychologin und Studienautorin Petra Wagner stellt die Ergebnisse in einem Gastbeitrag vor.  
Arbeitszeit für die Schule - wie viel braucht man für Erfolg?
Von Petra Wagner

Vergangenen Donnerstag (12.5.05) ist als Reaktion auf das eher schwache Abschneiden der österreichischen Schüler(innen) in der letzten PISA-Studie die Zwei-Drittel-Mehrheit für Schulgesetze im Parlament (mit wenigen Ausnahmen) gefallen.

Ob die dahinter stehende Idee, Schulreformen künftig effektiver durchführen zu können, realisiert wird, ist noch offen. Dass jedoch Reformen im Schulsystem dringend erforderlich sind, zeigen nicht nur die Ergebnisse der PISA-Studie, sondern auch andere Befunde aus dem Schulbereich, wie etwa zur Arbeitszeit der Schüler(innen).
"Spitzenplatz" bei der Unterrichtszeit
Laut einer OECD-Studie zur jährlich vorgesehenen Unterrichtszeit verbringen 12- bis 14-jährige Schüler(innen) in den OECD-Ländern durchschnittlich 936 Stunden pro Schuljahr in der Schule.

Die Unterrichtszeit in Österreich von 1.148 Stunden liegt gleich nach Mexiko im Spitzenfeld der untersuchten OECD-Länder und damit deutlich über den in der PISA-Studie erfolgreichen skandinavischen Ländern, deren Unterrichtszeiten sich im untersten Viertel einreihen.
Häusliche Arbeitszeit kommt hinzu
Der zeitliche Aufwand für die Schule besteht jedoch nicht nur aus Unterrichtszeit. Es ist noch jene Zeit dazu zu rechnen, die Schüler(innen) zu Hause in Hausaufgaben oder anderwärtige schulbezogene Vor- und Nachbereitungen investieren.

Während die Unterrichtszeiten anhand von Lehrplänen und dem Schulzeitgesetz für einzelne Schultypen bzw. Schulstufen systematisch erfasst werden können, weiß man über die häusliche Arbeitszeit der Schüler(innnen) relativ wenig.
Studie mit knapp 600 Schülern
Wie viel Zeit investieren Schüler(innen) tatsächlich für die schulbezogene Arbeit zu Hause? Warum lernen manche Schüler(innen) länger als andere? Führt mehr Arbeitszeit zu besseren Noten?

Diesen und weiteren Fragen wird im Forschungsprojekt "Arbeitszeit für die Schule", das seit mehreren Jahren an der Fakultät für Psychologie der Universität Wien in vielen empirischen Teilstudien durchgeführt wird, nachgegangen.

An der aktuellen Studie nahmen 595 Schüler(innen) von der 6. bis zur 10. Schulstufe aus Hauptschule, Gymnasium und berufsbildenden höheren Schulen teil.
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Wesentliche Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt wurden von Petra Wagner in dem Buch "Häusliche Arbeitszeit für die Schule: Eine Typenanalyse", das eben im Waxmann-Verlag erschienen ist, zusammengefasst.
->   Mehr über das Buch (Waxmann-Verlag)
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Hälfte arbeitet mehr als 40 Stunden
Die Studienergebnisse zeigten, dass die Schüler(innen) durchschnittlich zehn Stunden und 27 Minuten pro Woche zu Hause für die Schule arbeiten. Allerdings ist die Variabilität zwischen den Schüler(innen) sehr hoch. Mehr als die Hälfte der Schüler(innen) hat eine schulbezogene Wochenarbeitszeit von mehr als 40 Stunden.

Das Maximum liegt bei über 70 Stunden pro Woche. Nicht unerwartet gibt es Geschlechts- und Schultypenunterschiede. Mädchen arbeiten mehr als Burschen, Gymnasiast(innen) mehr als Hauptschüler(innen) und Schüler(innen) aus berufsbildenden höheren Schulen.
Schularbeiten und Tests im Mittelpunkt
Zu den Inhalten der Hausarbeit für die Schule zeigt die Studie, dass in allen untersuchten Schultypen die Schüler(innen) den größten Anteil ihrer häuslichen Arbeitszeit für die Schule mit Lernen für Schularbeiten und Tests verbringen, gefolgt von Hausaufgaben.

Wesentlich weniger Zeit wird in Wiederholen des aktuellen Stoffes und Vorbereiten für Referate oder Projekte investiert.
Identifizierung von Lern- und Arbeitstypen
Da sich in bisherigen Untersuchungen kein Zusammenhang zwischen Zeitinvestment und Schulerfolg nachweisen ließ, wurde in dieser Studie ein anderer Analyseansatz gewählt. Mittels spezieller statistischer Verfahren wurden Lern- und Arbeitstypen identifiziert, die in der Schule unterschiedlich erfolgreich sind.

Der Vergleich des erfolgreichsten Lerntyps mit dem schwächsten zeigt auf, dass sich die Schüler(innen), die diesen beiden Typen angehören, in völlig konträren Situationen befinden.
Erfolgreich: Geringe Zeitbelastung und wenig Prüfungsangst
Schüler(innen) des erfolgreichen Lerntyps (insgesamt 19 Prozent der Stichprobe) bereiten sich mit wenig zeitlicher Belastung (sie erledigen im wesentlichen nur schnell die Hausaufgaben) auf die Schule vor; sie haben ein hohes schulisches Selbstkonzept, geringe Prüfungsangst und Depressionsneigung und erleben einen niedrigen Leistungsdruck.

Die drei Prozent der Schüler(innen), die dem schwächsten Lerntyp zuzurechnen sind, erleben jedoch das absolute Gegenteil. Sie investieren mit wenig Erfolg sehr viel zeitliche Energie in das Lernen für Schularbeiten und Tests und sind dabei durch einen geringen Selbstwert, eine hohe Prüfungsangst und Depressionsneigung gekennzeichnet.

Zusätzlich wird ihre Situation noch durch den als hoch erlebten schulischen und elterlichen Leistungsdruck erschwert.
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Podiumsdiskussion zum Thema am 19. Mai in Wien
Welche Konsequenzen aus den Ergebnissen der Studie für die schulische Praxis abzuleiten sind, diskutiert die Buchautorin am Donnerstag, 19. 5. 2005, 18 00 Uhr, im ORF KulturCafe (1040 Wien, Argentinierstraße 30a) gemeinsam mit Bildungsexpert(inn)en, Lehrer(inne)n und Eltern.
->   Mehr zum Programm der Veranstaltung
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Was Leistung hemmt und was sie fördert
Das im Rahmen der Studie entwickelte Lern- und Kompetenztypenmodell ermöglicht einerseits Rückschlüsse auf die Komplexität der Lernsituation bestimmter Schülertypen, andererseits zeigt es auf, welche individuellen Konstellationen von subjektiven Kompetenzen, erlebtem Leistungsdruck und spezifischem Lerninvestment leistungsförderlich bzw. leistungshemmend sind.

[17.5.05]
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Über die Autorin
Petra Wagner ist Bildungspsychologin am Institut für Wirtschaftspsychologie, Bildungspsychologie und Evaluation der Universität Wien.
->   Homepage Petra Wagner
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01.01.2010