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Zu viel Wissen schadet der Erinnerung  
  Wer sich Neues merken will, sollte ab und zu bekannte Wege verlassen. Denn wie US-Psychologen nun herausfanden, kann die Gedächtnisleistung auch darunter leiden, wenn ein Erlebnis unter bekannten Kategorien "abgespeichert" wird. Je weniger ein Mensch weiß und damit auf die Zuordnung zu Bekanntem verzichtet, desto mehr Details sind später noch präsent.  
Die Psychologen des "Center for Cognitive Science" der Ohio State University untersuchten Kinder im Alter zwischen fünf und elf Jahren. Dabei zeigte sich, dass das Gedächtnis umso detailgetreuer funktioniert, je weniger die Kinder wussten.
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Der Artikel "When Induction Meets Memory: Evidence for Gradual Transition From Similarity-Based to Category-Based Induction" von Anna Fisher und Vladimir Sloutsky ist in der Mai-Ausgabe des Fachjournals "Child Development" erschienen (Band 76, S. 583, doi:10.1111/j.1467-8624.2005.00865.x).
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Zuerst Tiere mit den "Beta-Zellen" finden ...
Um der Gedächtnisleistung auf die Spur zu kommen, zeigte das Psychologen-Team rund um Vladimir Sloutsky und Anna Fisher Kindern und einer erwachsenen Vergleichsgruppe Bilder von Katzen und erklärte ihnen, dass diese Art von Tieren (frei erfundene) "Beta-Zellen" in ihrem Körper hätten.

Danach legten die Wissenschaftler den Kindern und den Erwachsenen 30 weitere Bilder vor, auf denen bunt gemischt Katzen, Bären und Vögel zu sehen war und fragten sie, ob auch diese Tiere über "Beta-Zellen" verfügten.
... dann Tiere aus erster Runde erkennen
Im zweiten Testlauf, der einige Zeit später stattfand, bekamen die Probanden nochmals 28 Bilder von Tieren zu Gesicht und mussten sich erinnern, ob exakt dieses Tier auch in der ersten Runde vorgekommen ist.

Die Versuchspersonen wussten vor Beginn der Tests nicht, dass es letztlich darum gehen würde, einzelne Tiere wieder zu erkennen und hatten sich stattdessen auf die "Beta-Zellen"-Frage konzentriert.
Je jünger die Kinder, desto besser die Erinnerung
"Je jünger die Kinder, desto besser ihr Erinnerungsvermögen" - mit diesem Satz lassen sich die Ergebnisse des Experiments zusammenfassen. Außerdem konnten Sloutsky und Fisher feststellen, dass die Kinder sich deutlich genauer erinnern konnten als die Erwachsenen.

Die Erklärung der Forscher: Die Kinder haben noch nicht gelernt, Tiere zu kategorisieren. Sie achteten daher bei jedem Bild, das ihnen im ersten Durchgang gezeigt wurde, auf die Details, um anhand der Übereinstimmung der anfangs gezeigten Katze herauszufinden, ob das Tier "Beta-Zellen" habe oder nicht.
Erwachsene kategorisieren und missachten Details
Die Erwachsenen hingegen verstanden schnell, dass nur die Katzen über die gesuchten Zellen verfügten. Sie wussten sofort beim ersten Anblick die Antwort und betrachteten die Bilder daher nur oberflächlich.
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Unbekannte Tiere: Gedächtnisleistung gleich
Sobald die bekannten Kategorien durchbrochen werden, gleicht sich laut der Studie die Gedächtnisleistung wieder an. So erfanden die Psychologen in einem zweiten Test drei Kategorien von Insekten-ähnlichen Kreaturen, die sie "Ziblets" nannten.

An diese Phantasie-Tiere konnten sich die Erwachsenen ebenso detailreich erinnern wie die Kinder - "weil sie genauso aufmerksam sein mussten", so die Erklärung der Forscher.
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Kunst: Rechtzeitig zwischen Zuständen wechseln
Die Fähigkeit zur Kategorisierung sei zwar oft sehr hilfreich, verstelle aber auch den Blick für Einzelheiten. Die Kunst sei es zu erkennen, wann zwischen den beiden Zuständen gewechselt werden sollte, um die bestmögliche Erinnerungsleistung zu erzielen.

[science.ORF.at, 17.5.05]
->   Center for Cognitive Science (Ohio State University)
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01.01.2010