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Ältester Menschenfund Europas ist 31.000 Jahre alt  
  Schädel-, Zahn- und Knochenfunde in einer Höhle bei Mladec in Südmähren (Tschechien) gelten als die ältesten Komplettreste eines Homo sapiens in Europa. Forschern der Universität Wien und des Naturhistorischen Museums Wien (NHM) ist es nun gelungen, die bereits im 19. Jahrhundert entdeckten Überreste altersmäßig exakt zu bestimmen: Sie sind durchwegs 31.000 Jahre alt. Die Funde könnten auch Rückschlüsse auf die Wanderungsrouten bei der Besiedelung Europas erlauben.  
Die Mladec-Funde glückten Forschern der Akademie der Wissenschaften und des damaligen Naturhistorischen Hofmuseums (heute NHM) in den Jahren 1881 und 1882. Dabei fanden sie Überreste von mehreren Individuen von Homo sapiens gemeinsam mit archäologischen Artefakten.

"Auf Grund dieser Artefakte konnten die Funde in die jüngere Altsteinzeit eingeordnet werden", berichtete Maria Teschler-Nicola vom NHM gegenüber der APA.
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Die Studie "Direct dating of Early Upper Palaeolithic human remains from Mladec" von Eva M. Wild et al. erschien im Fachjornal "Nature" (Band 435, S. 332-5; doi:10.1038/nature03585).
->   Nature
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Altersbestimmung mit Radiokarbon-Methode
Bild: Nature
Die Mladec-Knochen gelten als ältester Komplettrest von Homo sapiens in Europa (Bild rechts). Älter sind nur Funde aus Rumänien, allerdings sind diese laut Teschler-Nicola sehr dürftig. So liegen hauptsächlich Kieferfragmente vor, Teile etwa von Gliedmaßen gibt es nicht. Auch fehlen archäologische Beifunde.

Altersbestimmungen der im NHM gelagerten Knochen selbst brachten bisher keine zuverlässigen Befunde. So versuchten es die Forscher mit Zähnen und modernen Methoden der Radiokarbon-Bestimmung, dieses Mal mit Erfolg.

"In den Zähnen war genügend organisches Material vom Schmelz geschützt worden, so dass die Bestimmung funktionierte", so die Wissenschaftlerin. Durchgeführt wurde die Bestimmung am "Vienna Environmental Research Accelerator" (VERA) der Uni Wien.
->   Radiokarbon-Methode bei Wikipedia
Zwei konkurrierende Modelle
Das einheitliche Alter der Reste war insofern überraschend, als die Mladec-Knochen von ihren anatomischen Merkmalen sowohl moderne als auch archaische, eher dem Neandertaler zugeordnete Züge aufweisen.

Die Altersbestimmung der Wiener Wissenschaftler findet weltweit Beachtung, da sie weitere Aufschlüsse über die Besiedelung Europas und Asiens von Afrika aus bringen könnte. Bis heute streiten Forscher vehement, es haben sich zwei große Lager gebildet.
"Out of Afrika"-Hypothese
Die Vertreter der "Out of Afrika"-Hypothese meinen, dass der moderne Mensch in Afrika entstanden ist und dann im Verlaufe der vergangenen 100.000 Jahre den Rest der Welt erobert hat. Dabei sollte er die bereits ansässigen Menschenpopulationen - etwa Peking- und Javamenschen in Asien oder Neandertaler in Europa - völlig verdrängt haben.

Gene verraten Wanderroute unserer Vorfahren (13.5.05)
Multiregionale Theorie
Anhänger der multiregionalen Theorie meinen dagegen, dass sich aus den Frühformen des Menschen auf allen Kontinenten der moderne Mensch gebildet hat. Es habe einen permanenten Austausch von Genen gegeben. Demnach tragen wir heute noch Gene des Neandertalers in uns.
Interpretation offen
Inwieweit die neuen Ergebnisse über die Mladec-Funde für die eine oder andere Theorie sprechen, möchte Teschler-Nicola noch nicht kommentieren. Tatsache ist jedoch, dass offenbar Menschen mit modernen und archaischen Zügen innerhalb kurzer Zeit am gleichen Ort lebten. An sich würde das mit der multiregionalen Theorie übereinstimmen.

Ob es jedoch tatsächlich eine Vermischung der verschiedenen Typen gab, ist vorläufig nicht zu klären, da nicht einmal die rund 25 Schädel-, Zahn- und Knochenfunde einzelnen Individuen zugeordnet werden können.

[science.ORF.at/APA, 19.5.05]
->   Naturhistorisches Museum Wien
->   Universität Wien
->   Vienna Environmental Research Accelerator
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01.01.2010