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Erdbeben: Instant-Prognose für 24 Stunden möglich  
  Trotz aufwändiger geologischer Forschungen lassen sich Erdbeben bis heute nur schwer prognostizieren. Seismologen ist nun ein Fortschritt geglückt: Sie entwickelten ein Vorhersagemodell, das das Risiko eines Bebens für die nächsten 24 Stunden errechnet. Es ist offenbar leistungsfähiger als der bisher übliche internationale Standard.  
Wie das Team um Matthew C. Gerstenberger vom US Geological Survey berichtet, wurde das Modell bereits am Beispiel des US-Bundesstaats Kalifornien erfolgreich getestet. Kalifornierkönnen ab sofort Erdbebenprognosen für ihren Wohnort im Internet abrufen.
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Die Studie "Real-time forecasts of tomorrow's earthquakes in California" von Matthew C. Gerstenberger et al. erschien im Fachjournal "Nature" (Band 435, S. 328-31; doi:10.1038/nature03622).
->   Zur Studie
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Bald täglicher Bebenbericht?
Bild: Nature
"Das waren die Nachrichten. Und nun die tägliche Erdbebenvorhersage ..." Folgt man den Ausführungen eines internationalen Forscherteams, dann könnten Erdbebenprognosen bald wie Wetterberichte Bestandteil der täglichen Nachrichtensendungen sein.

Zumindest in Gebieten mit erhöhter seismischer Aktivität. Die Forscher um Matthew C. Gerstenberger vom US Geological Survey, Pasadena, kombinierten in ihrer Studie ein bisher übliches Zufallsmodell mit der Regel, dass nach Beben oft Erdstöße geringeren Ausmaßes - so genannte Nachbeben - folgen.
->   Erdbeben bei Wikipedia
Internationaler Standard: Poisson-Modell
Die Methode, die zur Zeit für Erdbebenvorhersagen weltweiter Standard ist, wird von Fachleuten als Poisson-Modell bezeichnet. Dabei berechnet man die Wahrscheinlichkeit, dass sich Ereignisse mit gegebener Intensität wiederholen.

Dem liegt eine Regel zugrunde, die von den Seismologen Beno Gutenberg und Charles Francis Richter im Jahr 1954 publiziert wurde. Das so genannte Gutenberg-Richter-Gesetz erfasst den Zusammenhang zwischen der Schwere eines Erdbebens und dessen Auftrittswahrscheinlichkeit. Einfach ausgedrückt: Kleinere Erdbeben treten eben öfter auf als größere.
->   The Gutenberg-Richter Law (simscience.org)
Ein Beben kommt selten allein
Um von dieser statistischen Beschreibung zu einer sinnvollen Vorhersage zu gelangen, muss man sie freilich mit gewissen Zusatzinformationen kombinieren, etwa über die seismische Aktivität einer Region.

Das Team um Gerstenberger fügte dem Poisson-Modell nun eine zweite geologische Regel hinzu, die auf den japanischen Seismologen Fusakichi Omori zurückgeht. Er beobachtete bereits im Jahr 1895, dass großen Beben oft kleinere Nachbeben folgen, und zwar mit fallender Frequenz.
->   Mehr zu Fusakichi Omori (geology about.com)
Geografie des Risikos

Entscheidend ist hierbei, dass in dem neuen Modell auch der seltene Fall erfasst wird, dass Nachbeben größer sind als das vorangehende.

Damit lassen sich, wie Duncan Agnew von der Scripps Institution of Oceanography der University of California in einem Begleitkommentar beschreibt, sowohl Kurzzeitvorhersagen in Echtzeit berechnen, als auch Langzeitprognosen erstellen, die durch aktuelle Ereignisse jederzeit modifiziert werden können.

Um diese Berechnungen für die Bevölkerung nutzbar zu machen, mussten Gerstenberger und Kollegen die jeweiligen Risiken auf eine gegebene Region anwenden, in diesem Fall: Kalifornien. Sie erstellten eine Karte des US-amerikanischen Bundesstaates, in dem die jeweiligen Risiken für Erdbeben eingetragen sind (Bild rechts).

Hier werden die Daten täglich aktualisiert, sie sind auf der Website "Real-time Forecast of Earthquake Hazard in the Next 24 Hours" abrufbar. Als Untergrenze wurde dabei die Bebenstärke VI gewählt, das ist jene Intensität, ab der leichte Bauschäden (etwa Sprünge im Verputz oder zu Bruch gehende Fenster) zu erwarten sind.
->   Real-time Forecast of Earthquake Hazard
Besser als bisher übliches Modell
Ob sich das neue Modell auch in der Praxis bewährt, überprüften die Forscher anhand der Daten des verheerenden Bebens von Landers (Kalifornien) aus dem Jahr 1992.

Das Ergebnis: Eine Minute vor dem Hauptbeben leuchtete das Epizentrum als Risikoareal auf der Kalifornsichen Karte auf, die Nachbeben kündigten sich bereits Stunden vor ihrem Auftreten an.

In Summe Schnitt das neue Modell klar besser als das Poisson-Modell ab, es ist daher als neuer internationaler Standard für Risikoberechnungen geeignet.

Ob und wie die Vorhersagemöglichkeiten von der breiten Öffentlichkeit genutzt würden, sei hingegen noch offen, wie Duncan Agnew in seinem Begleitartikel schreibt. Vor allem deswegen, weil Kurzzeitprognosen immer nur mit relativ geringen Wahrscheinlichkeiten arbeiten können.

Robert Czepel, science.ORF.at, 19.5.05
->   US Geological Survey
->   Das Stichwort Erdbeben im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010