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Schlüsselmolekül des Pflanzenwachstum entdeckt  
  Schon Darwin hat über diesem Problem gegrübelt - der Frage nämlich, wie Pflanzen wachsen. Zwei Forscherteams haben nun, 125 Jahre danach, die Antwort gefunden. Sie entdeckten jene Moleküle, die das Wachstum von Pflanzen auslösen und steuern.  
Dass bei diesem Vorgang das Phytohormon "Auxin" eine entscheidende Rolle spielt, war schon lange bekannt. Was das Molekül im Detail bewirkt, haben nun Forscher aus den USA und Großbritannien aufgeklärt: Es bindet an den Zellrezeptor TRV1 und löst damit eine Art genetische Handbremse. Daraufhin beginnen sich Zellen zu teilen - und Blätter, Stamm und Wurzeln wachsen.
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Zu diesem Thema erschienen im Fachjournal "Nature" zwei Studien mit (fast) gleich lautendem Titel: "The F-box protein TIR1 is an auxin receptor" (Band 435, S. 441-45) von Nihal Dharmasiri e al. sowie "The Arabidopsis F-box protein TIR1 is an auxin receptor" (S.446-51) von Stefan Kepinski et al.
->   Nature
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Darwins Rätsel
"Die Frage, wie Auxin in der Pflanze wirkt, war für lange Zeit der heilige Gral der Botanik", sagt Mark Estelle, Co-Autor einer der beiden Studien, die nun im Fachjournal "Nature" veröffentlicht wurden: "Das Problem hat bereits Charles Darwin beschäftigt. Dass wir das Rätsel nun nach so langer Zeit lösen konnten, macht unsere Entdeckung sehr befriedigend."

Estelle spielt dabei auf das Buch "The Power of Movement of Plants" aus dem Jahr 1880 an, in dem Darwin die mannigfaltigen Bewegungsformen untersuchte, zu denen Pflanzen imstande sind. Darin kam er zu dem Schluss, dass das Pflanzenwachstum durch eine spezielle Substanz - geregelt wird, die u.a. in jungen Blättern und Endknospen produziert wird.

Heute weiß man freilich: Es gibt mehrere so genannte Phytohormone, die dazu imstande sind. Aber der wichtigste ist der bereits von Darwin gesuchte Stoff, das "Auxin".
->   Volltext des Buches (British Library)
Keiner Pflanze fehlt das Hormon Auxin
In den 1930er Jahren konnte man dann den Wuchsstoff isolieren. Es handelt sich dabei um die Indol-3-Essigsäure (kurz: IAA), die heute als der wichtigste Vertreter aus der Stoffklasse der Auxine angesehen wird. Man geht sogar davon aus, dass pflanzliches Leben ohne IAA nicht möglich ist, denn bisher fand man noch keine einzige Pflanze, die das Molekül nicht herstellt (Annals of Botany 95, S.707).

In der Pflanzenzucht und Gärtnerei ist das Auxin weit verbreitet. Man kann damit beispielsweise Stecklinge zur Bildung von Wurzeln veranlassen oder die Fruchtbildung beschleunigen. Was sich dabei im Inneren der Pflanze abspielt, war allerdings lange Zeit unbekannt.
->   Mehr zu Auxinen (plant-hormones.info)
Molekulare Grundlagen des Wachstum aufgeklärt
Bild: Nature
Zwei Forschergruppen haben nun gleichzeitig herausgefunden, wie die Pflanze die Anwesenheit des Hormons in seinen Geweben "fühlt". Sie tut das mittels des Rezeptors TIR1 ("transport inhibitor response 1 protein").

Bindet Auxin an den Zellrezeptor wird an das Protein Aux/IAA das Molekül Ubiqutin angeheftet, was zur Zerstörung von ersterem führt (siehe Bild rechts). Die Entdecker dieses bei Pflanzen, Tieren und Pilzen verbreiteten Proteinabbaus - auch als biochemischer "Todeskuss" bezeichnet - wurden im Übrigen letztes Jahr mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.

Entscheidend an diesem Vorgang ist, dass Aux/IAA im Normalzustand genau jene Gene unterdrückt, die für das Pflanzenwachstum verantwortlich sind. Die Wirkung von Auxin besteht also darin, dass es - über Vermittlung des Rezeptors TIR1 - gewissermaßen eine genetische Handbremse löst und dadurch jene Kaskade von Signalen startet, die im Dienste des Pflanzenwachstums stehen.
->   Chemie-Nobelpreis 2004 für zellbiologische Forschungen
Begeisterung - zumindest in der Fachwelt
Judy Callis von University of California in Davies zeigt sich in einem Begleitartikel (Nature 435, S. 436) von der Entdeckung dieses lang gesuchten Puzzlesteines hellauf begeistert. Entgegen dem sonst üblichen nüchternen Tonfall in Fachzeitschriften beginnt sie ihren Aufsatz mit einem Kinderreim:

Oats and beans and barley grow,
Oats and beans and barley grow,
Can you, or I, or anyone know,
How oats and beans and barley grow?


Callis' entzückte Nachbemerkung:
Yes, you and I can know how oats and beans and barley grow!

[science.ORF.at, 27.5.05]
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Pflanzen locken Ameisen mit "vorverdautem" Zucker (22.4.05)
->   Wie sich Pflanzen mit Stickstoff versorgen (29.3.05)
->   Wie sich Eukalyptus gegen hungrige Koalas schützt (16.2.05)
->   Wie die Venusfliegenfalle zuschnappt (26.1.05)
->   Protein als Richtungsweiser für geraden Wuchs (25.8.04)
 
 
 
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01.01.2010