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Riesiges Gräberfeld erzählt vom Leben der Römer  
  In einem interdisziplinären Forschungsprojekt analysieren Wissenschaftler die Bestattungs- und Lebensweise der Römer in Österreich. Sie unterziehen dafür ein römerzeitliches Gräberfeld nahe Schloss Halbturn im Burgenland einer genaueren Betrachtung.  
Aus einfachem Acker wurde archäologische Fundgrube
Aus einer gewissen Distanz sieht die Welt oft ganz anders aus. Beispielsweise aus der Luft. Da wird aus einem gewöhnlichen Acker in der Flur Wittmannshof nahe Schloss Halbturn im Nordburgenland plötzlich eine riesige archäologische Fundgrube für ein beeindruckendes römerzeitliches Gräberfeld.

Markante Spuren im Erdreich beziehungsweise sichtbare Unterschiede im Getreidewuchs entpuppen sich dann als die Umrisse von zirka 300 Brand- und Körperbestattungen aus der Zeit des 2. bis 5. Jhdt.n.Chr..
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Umfassende Forschungsgrabung gestartet
Ein wissenschaftliches Schlaraffenland für ein Wiener Team von Archäologen, Historikern, Geologen und Biologen. Unter der Leitung des Frühgeschichtlers Falko Daim vom Wiener Institut für Ur- und Frühgeschichte, derzeit Generaldirektor des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz, und der Luftbildarchäologin Gabriele Scharrer-Liska vom Interdisziplinären Forschungsinstitut für Archäologie wurde daher knapp nach der Entdeckung im Jahr 1986 eine der größten heimischen archäologischen Forschungsgrabungen gestartet, die vor kurzem mit beeindruckenden Ergebnissen beendet worden ist.
->   Grabung in Halbturn
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Organisation von Bestattungen untersuchen
 
Bild: Nikitsch

Die Archäologin Nives Doneus, die sich mit der wissenschaftlichen Auswertung des 7.230 Quadratmeter großen Gräberfeldes (siehe Bild oben) befasst hat, erklärt: "Da das Gräberfeld von Halbturn vollständig freigelegt worden und auch von neuzeitlichen Eingriffen wie Bauarbeiten oder Raubgräbern verschont geblieben ist, ermöglicht uns diese Arbeit, über die Typologie und Chronologie hinausgehende Fragen zur Organisation und der Variabilität der Bestattungen zu untersuchen."
Annäherung an die "persönliche Ebene" eines Toten
Ausgehend von der Strukturierung des Gräberfeldes, der Bestattungsart der Toten - Brand- oder Körperbestattung - oder den Grabbeigaben wie Keramikgefäßen, Münzen oder Schmuck sowie der Gegenüberstellung von bekannten Ritualregeln und Ausnahmen oder Kinder- und Erwachsenenbestattungen, konnte man sich der "persönlichen Ebene" eines Toten nähern.
Viele Säuglings- und Kindergräber
"Besondere Bedeutung kommt bei diesem Gräberfeld der hohen Zahl an Säuglings- und Kindergräbern zu, die mit bis zu 40 Prozent alle bislang bekannten Zahlen übertrifft", so Doneus. "Bislang sind wir davon ausgegangen, dass Säuglinge und Kinder vor Erreichen eines bestimmten Alters gar kein eigenes Grab erhalten haben. Im Gräberfeld bei Halbturn ist es sogar so, dass jedes Kind sein eigenes Grab bekommen hat."
Auch Siedlung und Feldstrukturen untersucht
Zeitgleich zur Grabung wurde die in 150 Metern Entfernung entdeckte, dazugehörige Siedlung und Feldstrukturen per archäologischer Prospektion untersucht.

Dabei wurde eine Fläche von 20 Hektar mittels Luftbildarchäologie und geophysikalischer Prospektion, die beide auf der Messung physikalischer Eigenschaften der Erde und der durch archäologische Strukturen verursachten Anomalien beruht, sowie systematische Feldbegehungen erfasst.
Rekonstruktion der Lebensbedingungen
Bei allen drei Methoden handelt es sich um effiziente und zerstörungsfreie Methoden der Vorerkundung. "Die so genannte ´Villa Rustica´, ein römerzeitlicher Guthof, und das riesige Gräberfeld geben uns die einmalige Chance, eine umfassende Rekonstruktion der ursprünglichen Lebensbedingungen sowie der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen der damaligen Zeit zu erstellen", erläutert Daim das langfristige Ziel.

"Die Villa war nicht zufällig an diesem Ort angesiedelt. Bei dem Gutshof handelt es sich wahrscheinlich um einen Wirtschaftsbetrieb, der die größeren römischen Städte in der Nähe mit verschiedensten Gütern beliefert hat."
Tote sollten unvergessen bleiben
 
Bild: Scharrer

Ebenso wenig zufällig ist die Lage des Gräberfelds, das auf einer Anhöhe angelegt worden ist. "Man wählte zusätzlich einen Platz in der Nähe der Straße, womit die Toten nicht nur für die Bewohner der Siedlung, sondern auch für Reisende sichtbar waren", führt die Luftbildarchäologin Nives Doneus aus. "Gemeinsam mit den verschiedenen Ritualen der Bestattung diente dies dazu, dass die Toten unvergessen bleiben."

Eva-Maria Gruber, Universum Magazin, 30.5.05
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Die Ergebnisse der ersten derartig umfangreichen Grabungsoffensive in Österreich wurden jüngst in dem von Falko Daim und der Luftbildarchäologin Nives Doneus herausgegebenen Buch "Halbturn I - das kaiserzeitliche Gräberfeld und die Villa von Halbturn, Burgenland" (Universitätsverlag Wagner) mit zahlreichen Abbildungen und Tafeln veröffentlicht.
->   Universitätsverlag Wagner
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->   Interdisziplinäres Forschungsinstitut für Archäologie, Uni Wien
->   Wissenschaftsfonds (FWF)
->   Universum Magazin
 
 
 
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01.01.2010