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Makaken betreiben Konfliktmanagement  
  Was schützt Affen vor Zank und Streit? Konfliktmanagment lautet das Zauberwort. Wie nun ein internationales Forscherteam herausgefunden hat, besitzt allerdings nicht jedes Tier diese Fähigkeit. Zumindest bei Makaken sind es sind nur es die ranghöchsten Männchen, die für Harmonie in der Gruppe sorgen.  
Ein Team um Jessica Flack vom Yerkes National Primate Research Center in Atlanta entfernte in einem Beobachtungsexperiment drei der vier einflussreichsten Tiere tageweise aus einer Makakenpopulation. Die Folge: Der Friede war dahin, Streit stand auf der Tagesordnung.

Daraus schließen die Forscher, dass diesen Tieren eine Schlüsselrolle bei der Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung zukommt.
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Die Studie "Robustness mechanisms in primate societies: a perturbation study" von Jessica C. Flack et al. erscheint im Fachjournal "Proceedings of the Royal Society B" (doi:10.1098/rspb.2004.3019).
->   Zum Artikel (sobald online)
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Gemeinsam stark
Dass Tiere in größeren Verbänden auftreten, ist ein weit verbreitetes Phänomen. Bienen und Ameisen schließen sich beispielsweise zu Insektenstaaten zusammen, die aufgrund ihrer straffen Organisation sogar als Superorganismen bezeichnet werden.

Auch viele Wirbeltiere - wie etwa Wölfe und Schimpansen - sind als ausgesprochene Gruppenwesen nur ganz selten allein anzutreffen. Allerdings besteht zwischen beiden Beispielen ein wichtiger Unterschied: Insektenstaaten sind zwar höchst effektive Gebilde mit einer ausgeprägten Arbeitsteilung, in denen Mitglieder von Eindringlingen anhand von Geruchsstoffen unterschieden werden.

Eines können Bienen und Ameisen jedoch nicht: Für sie riecht jeder Stockgenosse mehr oder weniger gleich, das Individuum geht gewissermaßen in der anonymen Masse unter.
Individualisierte Verbände
Ganz anders ist das bei Vögeln und Säugern: Ihre Verbände sind individualisiert, d.h. deren Mitglieder erkennen einander als Einzelwesen. Dementsprechend wird das Sozialverhalten nicht nur auf chemischer Ebene - etwa via Pheromone - gesteuert, sondern primär auf der Ebene individuellen Verhaltens.

Das eröffnet zwar neue Möglichkeiten, beinhaltet aber auch Gefahren. Denn wenn es kein starres Regelungssystem gibt, können Konflikte ausbrechen, die den Vorteil des Gruppenlebens unter Umständen zunichte machen.

Anders ausgedrückt: Aus soziobiologischer Sicht ist es eigentlich verwunderlich, dass individualisierte Verbände trotz der Allgegenwart innerer Zwistigkeiten außerordentlich stabil sind.
Experiment mit Knockout-Design
Ein Forscherteam um Jessica Flack vom Yerkes National Primate Research Center in Atlanta hat diese Frage nun bei einer 84-köpfigen Gruppe von Schweinsaffen (Macaca nemestrina) genauer untersucht.

Dabei bedienten sich die Forscher eines so genannten Knockout-Konzepts, das an die Logik von entwicklungsgenetischen Studien angelehnt ist.

Beim so genannten Gen-Knockout entfernt man ein bestimmtes Gen aus dem Erbgut eines Lebwesens. Führt das zu sichtbaren Schäden in der Embryonalentwicklung, dann kann man daraus auf die Funktion des still gelegten Erbfaktors schließen.
->   Gene-Knockout bei Wikipedia
Mächtige Tiere entfernt
In ganz ähnlicher Weise analysierten die Verhaltensforscher um Flack den Einfluss einzelner Gruppenmitglieder auf den sozialen Zusammenhalt, indem sie einzelne Makaken tageweise aus dem Verband entfernten.

Besonders interessant waren in diesem Zusammenhang die drei ranghöchsten Männchen, weil bei den Schweinsaffen vor allem mächtige Gruppenmitglieder in Konflikte eingreifen und für Ruhe sorgen.
->   Macaca nemestrina (arkive.org)
Die Folge: Soziales Tohuwabohu
Das Ergebnis war eindeutig: In Abwesenheit des Alpha-, Beta- und Delta-Männchens (Rang drei hatte ein Weibchen inne) stieg sowohl die Rate als auch die Intensität aggressiver Handlungen.

Gleichzeitig nahmen die positiven Sozialkontakte - wie etwa Spielen, Grooming oder körperliche Nähe - deutlich ab. Diese Veränderung blieb jedoch aus, wenn zufällig ausgewählte Gruppenmitglieder entfernt wurden.

Schluss der Forscher: Die ranghohen Tiere betreiben so etwas wie Konfliktmanagement. Dabei werden bereits ausgebrochene Streitereien geschlichtet sowie neue verhindert - und zwar nicht nur durch direkte Intervention, sondern auch über den Umweg einer positiveren Gruppenstimmung. Die Hierarchie der Makakengruppen diene daher der Stabilität des Sozialverbandes.

[science.ORF.at, 1.6.05]
->   Yerkes National Primate Research Center
 
 
 
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01.01.2010