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Neue Therapien bei Brustkrebs: Teuer, aber wirksam  
  Das Medikament "Herceptin" kann bei 25 Prozent aller Brustkrebspatientinnen das Wiederauftreten des Tumors verhindern. Für die breite Anwendung sind aber dringend Entscheidungen der Krankenkassen notwendig.  
Dies forderten am Donnerstag Fachleute bei einer Pressekonferenz in Wien. Ernst Kubista, Chef der Abteilung für Spezielle Gynäkologie an der Wiener Universitäts-Frauenklinik (AKH): "Wir geraten immer mehr in ein Spannungsfeld. Bei der Behandlung von Brustkrebs bekommen wir immer bessere und neue Medikamente mit zum Teil sensationellen Heilungserfolgen."
Erfolge in Bekämpfung der Krankheit
Der Experte nannte zwei Beispiele:

- Bei hormonabhängigem Brustkrebs lösen in der Therapie nach der Operation so genannte Aromatasehemmer, welche die Entstehung der Östrogene verhindern, das bisher angewendete Antiöstrogen Tamoxifen ab. Das verringert die Rückfallrate deutlich - sind aber drei bis vier Mal teurer als Tamoxifen.

- 20 bis 25 Prozent der Brustkrebspatientinnen weisen eine Überexpression des Onkogens Her2-neu auf. Das macht die Tumoren besonders aggressiv. Das Medikament Trastuzumab ("Herceptin") mit monoklonalen Antikörpern führt - frühzeitig angewendet - zu sensationellen Ergebnissen. Der Gynäkologe: "In drei Studien an Tausenden Patientinnen hat man das erprobt. Es zeigte sich, dass Herceptin das Auftreten von Metastasen um 50 Prozent verringert hat."
Nagelprobe für weiterhin optimale Therapie
Gerade die Herceptin-Therapie könnte deshalb zur Nagelprobe werden, ob das österreichische Gesundheits- und Spitalswesen weiterhin Patienten die optimale Therapie nach dem internationalen Standard bietet.

Bisher wurde das Medikament erst bei Brustkrebs im fortgeschrittenen Stadium angewendet. Die beim US-Onkologenkongress (ASCO) vor wenigen Tagen präsentierten Daten (7.000 Patientinnen, Anm.) sprechen aber für eine breite Anwendung schon im Frühstadium.
Beispiel AKH Wien
Kubista: "Wenn ich das Medikament verordne, bekomme ich nach zwei bis drei Wochen einen Anruf vom Controller, der mir sagt: 'Bei Ihnen explodieren die Abteilungskosten'."

So dürfte es bald vielen Spitalsabteilungen gehen. Teresa Wagner von der Abteilung für Spezielle Gynäkologie am Wiener AKH: "Unser Budget betrug im Jahr 2004 zwei Millionen Euro. Bei 80 Patientinnen, die nun das Medikament bekommen sollten, wären die zusätzlichen Ausgaben 2,1 Millionen Euro."
Teurer, aber lebensrettend
Herceptin wird ein Jahr lang zusätzlich zur Chemotherapie verabreicht. Die Kosten betragen zwischen 40.000 und 50.000 Euro. Die Abteilung Kubistas mit pro Jahr rund 400 Brustkrebspatientinnen ist das größte Zentrum.

In Österreich kann gerechnet werden, dass sich die Zahl der Behandlungen mit dem High-Tech-Medikament von derzeit pro Jahr rund 500 auf 1.250 erhöht bzw. sogar verdreifacht. Das rettet aber Menschenleben.
Pharmakologe: Keine Kostenexplosion
Deshalb wollen die Spezialisten gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium durchsetzen, dass Mammakarzinom-Patientinnen in Österreich nur noch in Zentren mit umfassender Betreuungskompetenz behandelt werden.

Teresa Wagner: "International verlangt man Betreuung von pro Jahr mindestens 150 Brustkrebsfällen, ein Operateur sollte im Jahr zumindest 50 derartige Eingriffe durchführen. Die Betreuung beginnt bei der Früherkennung und geht bis zur Psychoonkologie."

Der Wiener klinische Pharmakologe Ernst Agneter empfindet die Kostendiskussionen überhaupt als nicht angebracht: "Es ist interessant, dass das Krankenkassendefizit in der Endabrechnung immer deutlich geringer ist. Jetzt sind es statt mehr als 300 Millionen Euro 230 Millionen Euro (Befürchtung für 2004: 330 Mio. Euro, eingetreten: 234 Mio. Euro, Anm.). Da wird ein Budget von mehr als 11,2 Mrd. Euro bewegt. Damit liegt das Defizit bei zwei Prozent. Das ist aus meiner Sicht eine Punktlandung. Wir haben kein Finanzierungsproblem. Wir hatten nie eine Kostenexplosion. Wir können uns das leisten. Es ist die Frage, ob wir das wollen. Österreich ist das drittreichste Land der EU."

[science.ORF.at/APA, 2.6.05]
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01.01.2010