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Journalistinnen idealistischer als Journalisten  
  Frauen sind im Journalismus idealistischer, wahrheitsliebender und kritischer gegenüber ihren Arbeitgebern als ihre männlichen Kollegen. Laut einer aktuellen Studie über Österreichs Medienschaffende haben sich diese geschlechtsspezifischen Unterschiede erst in den vergangenen zehn Jahren herausgestellt.  
Dies sind die Ergebnisse des Forschungsprojekts "Ethik im österreichischen Journalismus". Die Studie des Studiengangs Journalismus an der Fachhochschule Wien ist soeben in Buchform unter dem Titel "Beruf ohne Moral?" erschienen.

"Es scheint, als ob gewisse Qualitätskriterien von Journalistinnen deutlicher wahrgenommen werden als von Journalisten", fasste der Kommunikationswissenschaftler und Studienautor Matthias Karmasin den Trend Montagabend bei einer Pressekonferenz zusammen.
Berufs-Selbstbilder nicht unterschiedlich
Dies gelte vor allem für Bereiche der beruflichen Ethik, während in anderen Fragen - etwa zum Image des Berufsstands, zur Einschätzung, was erfolgreichen Journalismus ausmache oder zur Beurteilung von medienrechtlichen Rahmenbedingungen - keine signifikanten Unterschiede zwischen Männern und Frauen auszumachen waren, so Karmasin.

In diesen Selbstbildern sei die berufsspezifische Sozialisation wichtiger als die geschlechtsspezifische.
Idealistischer, objektiver, kritischer
Medienethisch betrachtet äußerten sich die befragten Frauen aber signifikant anders als ihre Kollegen. Die Studie attestiert ihnen "eine sehr idealistische und hohe Erwartungshaltung" in ihrer journalistischen Arbeit.

"Wahrheit" und "Objektivität" bewerten sie höher als ihre männlichen Kollegen, anwaltschaftlicher Journalismus, also der Einsatz für Rechte der Schwachen liegt ihnen eher am Herzen.

Frauen im Journalismus sehen aber auch verstärkte Beschränkungen ihres Handlungsspielraums und sind gegenüber ihren Arbeitgebern kritischer, so zentrale Ergebnisse.
Kritischer gegenüber Ökonomisierung
Ein weiterer Unterscheidungspunkt: Männer in der Medienbranche beurteilen deren zunehmende Ökonomisierung eher positiv als Frauen. Für Karmasin sind die Ergebnisse nicht zuletzt bedingt durch die hierarchischen Strukturen im österreichischen Journalismus.

Ein Interpretationsversuch: Frauen sind immer noch kaum in leitender Position zu finden und verdienen weniger als ihre Kollegen, daher würden auch "ökonomische und redaktionelle Sachzwänge stärker erlebt".
Verlässliche Daten über Berufsstand fehlen - noch
Befragt wurden für die nun in Buchform erschienene Studie 122 Medienschaffende, 43 davon waren Frauen. Ob die Ergebnisse auch wirklich repräsentativ seien? Man habe die Stichprobe "nach besten Wissen und Gewissen" gezogen, betonte Karmasin.

Allerdings: Es gebe in Österreich keine umfassende Erhebung der "Grundgesamtheit" aller Journalisten, "verlässliche Daten" über diesen Berufsstand fehlen. Noch, sagte Studiengangsleiter Reinhard Christl: Man plane im Rahmen eines größeren Forschungsprojekt, dieses Manko zu beheben.

[science.ORF.at/APA, 7.6.05]
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Matthias Karmasin: Journalismus. Beruf ohne Moral? Von der Berufung zur Profession, WUV, Wien 2005
->   Mehr über das Buch
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->   Studiengang Journalismus, FH Wien
->   Matthias Karmasin, Uni Klagenfurt
 
 
 
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01.01.2010