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Neue Berechnungsmethode relativiert "Überalterung"  
  Das zunehmende Alter der Bevölkerung vor allem in Industriestaaten wird von Politik und Wirtschaft zumeist als Problem betrachtet. Forscher des Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg schlagen nun eine alternative Berechnungsmethode vor, welche das Phänomen deutlich relativiert. Ihr Ansatz: Beim Alter sollte man nach vorne schauen und nicht zurück.  
Warren Sanderson und Sergei Scherbov vom World Population Program des IIASA berichteten von ihren Überlegungen zum "prospektiven Alter" in der Zeitschrift "Nature".
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Die Studie "Average remaining lifetimes can increase as human populations age" ist in "Nature" (Bd. 435, S. 811, Ausgabe vom 9. Juni 2005) erschienen.
->   Abstract in Nature
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Prospektives Alter ...
In herkömmlichen Berechnungen und Prognosen zur Überalterung wird meist das Durchschnittsalter während eines bestimmten Zeitraumes in einem Land als Grundlage herangezogen, beispielsweise "Bis 2035 ist jeder dritte Österreicher über 60".

Doch nach Ansicht der beiden Experten ist diese Sichtweise irreführend. Es sei wesentlich aussagekräftiger, jene Zeit heranzuziehen, welche eine fiktive Person im Durchschnittsalter eines Landes oder einer Region noch zu leben hat ("Prospektives Alter").
... verändert sich kaum
Sanderson und Scherbov gehen nämlich davon aus, dass die Aussicht auf ein längeres Leben auch das Verhalten der Menschen ändert - mit vielen Auswirkungen auf Entscheidungen in den Bereichen finanzielle Vorsorge, medizinische Versorgung, Bildung und berufliche Weiterbildung.

Ein Beispiel: Im Jahr 2000 war der durchschnittliche Deutsche 39,9 Jahre alt. Nach Schätzungen wird dieser Wert im Jahr 2050 bei 51,9 Jahren liegen, so gesehen ein deutlicher Zuwachs.

Allerdings blickte der knapp 40-jährige im Jahr 2000 auf - durchschnittlich - 39,2 verbleibende Lebensjahre, der knapp 52-jährige hat im Jahr 2050 nicht viel weniger, nämlich 37,1 Jahre zu erwarten.
Wert steigt bei Amerikanern an
Dabei hat Deutschland schon heute eine vergleichsweise alte Bevölkerung. In den USA lag das Durchschnittsalter im Jahr 2000 bei 35,3 Jahren, und der Durchschnittsamerikaner hatte noch 43,5 Jahre zu erwarten. 2050 wird sein Alter im Schnitt 41,7 Jahre betragen mit einer gegenüber 2000 sogar längeren, noch zu erwartenden Lebensspanne von 45,8 Jahren.

Dieses Beispiel zeigt, dass die Bevölkerung eines Landes altern kann, wenn man den Maßstab des durchschnittlichen Lebensalters heranzieht. Gleichzeitig kann dieses Land aber auch jünger werden, wenn man die Lebenserwartung als Maßstab heranzieht.

Beide Daten müssten herangezogen werden, um ein komplettes Bild einer Gesellschaft zu erhalten, betonen die Experten.
Ältere werden sich wie Jüngere verhalten
Die Wissenschaftler sind überzeugt, dass die verlängerten Lebenshorizonte mit einer Änderung des persönlichen Verhaltens einhergehen werden: Ältere Menschen werden sich in Zukunft anders verhalten als heutige ältere Menschen, in vielerlei Hinsicht werden sie agieren, als wären sie deutlich jünger.

Sanderson und Scherbov schlagen daher vor, anstatt der bisherigen Betrachtung der reinen Lebenserwartung den Faktor der noch zu erwartenden Jahren in die Statistiken mit einzubeziehen, sie nennen dies "Person's Prospective Age" und präsentieren auch eine Möglichkeit der Berechnung eines solchen standardisierten Alters.
Automatisch späterer Pensionsantritt
Außerdem schlagen die Forscher eine Möglichkeit vor, wie das "Prospektive Alter" auch als Maßstab zur nachhaltigen Finanzierung von Pensionssystemen herangezogen werden kann: Statt eines fixen Pensionsantritts-Alters könnte angesichts einer steigenden Lebenserwartung auch das Antrittsalter kontinuierlich steigen, die Experten gehen von zwei Monaten pro Jahr aus.

In den USA würde eine solche Berechnung die Nachhaltigkeit des Pensionssystems garantieren. In Deutschland und Japan müsste für diese nachhaltige Sicherheit die jährliche Erhöhung des Pensionsantritts-Alters etwas höher sein.

[science.ORF.at/APA, 8.6.05]
->   IIASA
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01.01.2010