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Italiener stimmen über Bioethik-Gesetz ab  
  Rund 44 Millionen Italiener sind am kommenden Sonntag und Montag aufgerufen, über ein umstrittenes Gesetz zur künstlichen Befruchtung abzustimmen, das Italien zutiefst spaltet.  
Das italienische Bioethik-Gesetz, eines der restriktivsten Europas, war im vergangenen Jahr von einer parteiübergreifenden katholisch-konservativen Front gegen den erbitterten Widerstand der liberalen Kräfte im Parlament verabschiedet worden.

Das Referendum soll bestimmen, ob und welche Textpassagen aus dem Gesetz zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung gestrichen und welche beibehalten werden sollen.
Abstimmung über vier Themenbereiche
Die Italiener müssen über vier kurz formulierte Themenbereiche abstimmen: Für den Schutz der Gesundheit der Frau; für die heterologe Insemination (Befruchtung mit den Samen- oder Eizellen eines Menschen, der nicht zum Paar mit Kinderwunsch gehört); für neue Heilverfahren von Krankheiten sowie für die Selbstbestimmung und die Gesundheit der Frau. Es handelt sich um Textpassagen aus acht der 18 Gesetzesartikel.
Abstimmung über Forschung an embryonalen Stammzellen
Sollten die Bürger der Abschaffung der Textpassagen aller vier Themenbereiche des Referendums zustimmen, würde die Volksabstimmung den Weg Richtung Forschung an embryonalen Stammzellen frei machen.

Laut dem Gesetz ist die Befruchtung mit Ei- oder Samenzellen, die nicht von dem kinderlosen Paar selbst stammen, verboten. Höchstens drei Eizellen dürfen jeweils im Reagenzglas befruchtet werden. Das Einfrieren von Embryonen ist praktisch verboten, ebenso wie Leihmutterschaften.
->   Informationen zu Lage in Österreich bei der Bioethikkommission
Viele Paare reisen in Nachbarländer
Untersagt ist die künstliche Befruchtung von Frauen, die in gleichgeschlechtlichen Beziehungen leben, allein stehend oder über 50 Jahre alt sind. Auch die Verwendung von Embryonen für die wissenschaftliche Forschung ist verboten.

Die strengen Vorschriften haben bereits Hunderte italienische Paare zu Fortpflanzungsmedizinern in die Schweiz und in andere europäische Länder getrieben.
Befürworter rufen zu reger Beteiligung auf
Die Befürworter des Referendums rufen die Italiener auf, am Wochenende massiv zu den Urnen zu gehen. Wenn mehr als 50 Prozent der Stimmberechtigten nicht zur Wahl gingen, wäre das Referendum gescheitert.

Das Gesetz sei frauenfeindlich und müsse unbedingt geändert werden. Dieser Ansicht ist auch Frauenministerin Stefania Prestigiacomo.
Gegner plädieren für Boykott
Die Seite der Referendumsgegner drängt mit der Unterstützung der katholischen Kirche auf ein Boykott der Volksabstimmung. Der Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Camillo Ruini, rief die Katholiken auf, das Referendum zu boykottieren.

Eine Stimmenenthaltung sei das wirksamste Mittel, um ein Gesetz nicht noch weiter zu verschlimmern, das "ohnehin schon an der Grenze des Tolerierbaren ist", so Ruini.
Kirche gegen Abstimmung und Gesetz
Papst Benedikt XVI. hatte sich kürzlich hinter die Bischöfe gestellt. "Hier arbeiten wir nicht für die Interessen der Katholiken, sondern für die Verteidigung des Menschen, der eine Schöpfung Gottes ist", sagte Benedikt XVI. Die Befürworter des Referendums bezeichneten die Worte des Papstes als "unerträgliche Einmischung" in die internen Angelegenheiten Italiens.

[science.ORF.at/APA, 8.6.05]
->   Mehr zum Thema Bioethik im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010