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Nanotechnologie: Gesundheitliche Risiken unklar  
  Nanotechnologie gilt als nützlicher Forschungszweig. Die winzigen Teilchen könnten sich aber auch negativ auswirken und die Lunge schädigen, stellt die Allianz-Versicherung in einem aktuellen Bericht fest.  
Riskante Arbeit mit Atomen und Molekülen
Unvorstellbar klein ist die Nanowelt: Ein menschliches Haar 80.000mal gespalten und wir sind in der winzig kleinen Welt der Nanomaßstäbe.

In der Nanowelt arbeiten Wissenschafter mit einzelnen Atomen und Molekülen. Versicherungen fragen nun auch nach dem Risiko: Können die unsichtbar kleinen Teile der Gesundheit schaden?

Die Allianz-Versicherung hat sich (auch aus eigenem Interesse) dem Gesundheitsrisiko der Nanopartikel gewidmet und heute bei einer Pressekonferenz eine erste Einschätzung abgegeben.
Geschätzte zehn Studien zum Thema
Bisher sei dazu nichts bekannt, sagt die Allianz-Versicherung. Es gibt weltweit geschätzte zehn Studien zum Thema. Der Tenor: Gebundene Teilchen wie sie beispielsweise im Autolack vorkommen seien nach heutiger Einschätzung kein Gesundheitsrisiko.

Schon eher gefährlich seien freie Nanopartikel, sagt Christoph Lauterwasser, Referatsleiter im Allianz Zentrum für Technik in München, im Gespräch mit Ö1.
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Schäden an Atemwegen möglich
Lauterwasser hat die vorhandenen Studien in Kooperation mit der OECD (der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) zusammengefasst.

"Die Partikel sind so klein, dass sie tief in die Lunge eindringen können. Sie können dort Entzündungen und Gewebeschäden hervorrufen. Teilweise können sie in die Blutbahn vordringen und in andere Gewebe transportiert werden", erklärt Christoph Lauterwasser:

"Soweit man das heute sehen kann bzw. zeigen es Untersuchungen an Fischen: Dort können die Nanopartikel Gewebeschädigungen verursachen."
->   Zur Studie "Opportunities and risks of Nanotechnologies"
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Tatsächliches Risiko nicht von Studien ableitbar
So weit experimentelle Studien zur grundsätzlich möglichen Gefahr. Es handelte sich um Versuche, die mit dem tatsächlichen Risiko für Menschen, die mit Nanotechnologie arbeiten oder Nanotech-Produkte verwenden, wenig zu tun haben.

Für die von Christoph Lauterwasser zitierte US-amerikanische Studie wurden Nanoröhrchen aus Graphit getestet - und zwar nicht am Menschen, sondern an Fischen und: Sie wurden auch nicht eingeatmet (was einer Belastung am Arbeitsplatz von Forschern oder Industriearbeitern entspräche), sondern die Nanoröhrchen wurden direkt in die Atmungsorgane der Fische eingesetzt.

Die Folgen bei diesem Versuch: Zellschäden und Entzündungen, sagt Lauterwasser vom Münchner Studienzentrum der Allianz-Versicherung.
Unsicherheitsfaktor "Menge"
Eine weitere Unklarheit bei der Einschätzung des Gesundheitsrisikos durch Nanopartikel ist die Menge, die für Menschen unter Umständen gefährlich sein könnte:

"Wichtiger als die Menge scheint eher die Zahl und die Oberfläche der Partikel zu sein. Allein die Anzahl kann ein Problem machen, weniger das Gewicht. Das Immunsystem wird durch die hohe Anzahl quasi überlastet. Die Forschung dazu steckt aber in den Anfängen."
Erinnerungen an Asbest-Diskussion ...
Man fühle sich an die Asbest-Diskussionen erinnert, heißt es von der Allianz-Versicherung: auch hier kleine Partikel und auch hier vermutlich ein langer Zeitraum bis zu tatsächlichen Auswirkungen.

Mit finanziellen Schäden wie bei Asbest-Erkrankungen rechnet die Versicherung übrigens nicht.
... und Feinstaub-Aufregung
Und man fühle sich an die aktuelle Feinstaub-Diskussion erinnert:
"Man kann die Wirkung nicht unmittelbar und 1:1 übertragen, aber es sind Analogieschlüsse möglich.

Bei den Feinstäuben gibt es epidemiologische Evidenz, die kann man bei Nanopartikeln heute gar nicht haben. Dazu sind dem viel zu wenige Menschen viel zu kurz ausgesetzt."
Risiko derzeit schwer abzuschätzen
Zusammenfassend meint Lauterwasser: Es fehlen noch Studien, um das tatsächliche Risiko für den Menschen einschätzen zu können. Es müssten auch die unterschiedlichen Klassen von Nanoteilchen auf ihre Wirkung untersucht werden (derzeit werden die Stäube undifferenziert betrachtet - Hauptsache klein). Und schließlich fehle natürlich die Langzeiterfahrung.

Barbara Daser, Ö1 Wissenschaft, 8.6.05
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01.01.2010