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Gesichter von Politikern beeinflussen Wahlerfolg  
  "Babyface" oder markante Züge? Die Gesichter von Politikern entscheiden einer Studie zufolge das Ergebnis der meisten Wahlen mit - zumindest in den USA. Dort unterzog ein Psychologenteam die Bewerber für einen Sitz im US-Kongress einer "Gesichtskontrolle" - bei der Wahl im vergangenen November sagten sie in zwei von drei Fällen den Gewinner korrekt voraus.  
Ein nachträglicher Vergleich der Kandidaten der beiden vorigen Kongresswahlen bestätigte ihre These, schreiben Alexander Todorov von der Universität Princeton (US-Staat New Jersey) in einer aktuellen Studie.

Ob sich Wähler auch in anderen Ländern vom Aussehen etwa ihrer Kanzlerkandidaten leiten lassen, prüften die US-Psychologen nicht.
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Die Studie "Inferences of Competence from Faces Predict Election Outcomes" von A. Todorov et al. erschien im Fachjournal "Science" (Bd. 308, S. 1623, Ausgabe vom 10. Juni 2005).
->   Zur Studie
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Beispiel: Wer sieht kompetenter aus?
 
Bild: Science

Als Beispiel führen Alexander Todorov und Mitarbeiter obigen Bildvergleich zweier Politiker aus Wisconsin an, die sich 2004 um einen Sitz im Senat bewarben. "Welche Person sieht kompetenter aus?", so die Frage der Forscher in ihrer Studie.

Ein Blick auf die Ergebnislisten der letzte Senatswahl gibt die Antwort: Der Demokrat Russell D. Feingold (links) setzte sich im Rennen um den Sitz im Senat gegen den Republikaner Tim J. Michels (rechts) durch.
"Babyface" wird mit Schwäche assoziiert
Wie die Sozialpsychologin Leslie Zebrowitz von der Brandeis University in einem begleitenden Kommentar (Science 308, S. 1565) ausführt, wird offenbar ein Kandidat mit "Babyface" unabhängig von seinem Wahlprogramm und Auftreten sowie seiner Eloquenz durch alle Bevölkerungsgruppen hindurch als weniger kompetent angesehen.

Als "Babyface" gilt - unabhängig von Geschlecht, Alter und sonstiger Attraktivität - ein rundes Gesicht mit hoher Stirn und kleinerer Nase sowie kürzerem Kinn.

Zebrowitz zufolge verbindet die US-Bevölkerung damit in der Mehrheit typische Attribute eines Babys wie Naivität, Schwäche und Gehorsam. An positiven Eigenschaften würden einem "Babyface" automatisch Ehrlichkeit und Wärme zugestanden.
Wem Richter eher Glauben schenken
Zebrowitz weist in ihrem Kommentar auf eigene Publikationen hin, denen zufolge Richter eher Personen mit markanten Gesichtern Glauben schenken, wenn diese fahrlässiges Verhalten ableugnen. Im Fall von vorsätzlichen Übertretungen glauben sie aber eher den Angeklagten mit "Babyface".

Auch aus dem Filmgeschäft kennt man solche Tendenzen: In wirtschaftlichen Krisenzeiten werden eher Schauspielerinnen mit erwachsenen Gesichtszügen bevorzugt, in Zeiten des Aufschwunges hingegen ihre Kolleginnen mit kindlichen Attributen (Media Psychology 1, S.229).
Experiment: Reagan mit größeren Lippen und Augen
Dass es einen prinzipiellen Zusammenhang zwischen dem Aussehen eines Politikers und der subjektiven Zuschreibung von Kompetenzen gibt, wurde bereits von Forschern der Colgate University im Jahr 1999 nachgewiesen.

Ein Team um Caroline F. Keating änderte die Physiognomie der Gesichter des jüngsten und des ältesten US-Präsidenten - John F. Kennedy und Ronald Reagan - am Computer ab. Kindliche Eigenschaften (leicht vergrößerte Lippen und Augen) ließen beide Politiker weniger mächtig wirken.

Das spricht für die "Babyface"-Interpretation von Leslie Zebrowitz. Allerdings: Die selbe Veränderung am Gesicht von Bill Clinton erhöhte die ihm zugeschriebene Glaubwürdigkeit und Attraktivität ohne seine "Macht" zu vermindern.
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Die Studie "Presidential Physiognomies: Altered Images, Altered Perceptions" von Caroline F. Keating et al. erschien im Fachjournal "Political Psychology" (Band 20, S. 593; doi:10.1111/0162-895X.00158).
->   Zum Abstract der Studie
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Männer mit "Babyface" sind gebildeter
Auf die Frage, welche Mechanismen im Gehirn zu den Vorurteilen führen und wie diese zu vermeiden sind, wissen Todorov und Kollegen keine Antwort.

Sie stellen jedoch klar, dass der äußere Eindruck täuscht: Männer mit "Babyface" sind den Forschern zufolge allgemein etwas intelligenter und gebildeter und werden eher mit hohen militärischen Ehren ausgezeichnet als solche mit markant Gesichtszügen.

[science.ORF.at/dpa, 10.6.05]
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01.01.2010