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Nanoteilchen zerstören Krebszellen von innen  
  Wenn High-Tech und Antike kombiniert werden, kann ein Durchbruch in der medizinischen Forschung herauskommen. Das zeigt eine aktuelle Arbeit von Wissenschaftlern der Universität Michigan: Sie schleusten "Trojanische Pferde" in Form von Nanopartikeln durch die Wände von Krebszellen. Im Inneren angelangt, schwärmten die Teilchen aus und verzögerten deutlich das Wachstum der bösartigen Zellen. Die Forscher hoffen auf klinische Tests innerhalb der nächsten zwei Jahre.  
Um die "Trojanischen Pferde" einzuschleusen, machten sich die Mediziner eine Eigenheit der Krebszellen zunutze: Sie brauchen mehr Folsäure als normale Körperzellen, und die Folsäure-Rezeptoren waren das Tor, über das die Wissenschaftler ihren Polymeren Zutritt zur Krebszelle verschafft haben.
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Der Artikel "Nanoparticle targeting of anticancer drug improves therapeutic response in animal model of human epithelial cancer" von J. Kukowska-Latallo und Kollegen ist am 15. Juni 2005 im Fachjournal "Cancer Research" erschienen.
->   Cancer Research
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Versuch am lebenden Organismus gelungen
"Wir konnten demonstrieren, dass die Verabreichung von Medikamenten über Nanopartikel im lebenden Organismus funktioniert", betont James Baker von der Universität Michigan in einer Presseaussendung.

Zwar war schon bisher die Transportfähigkeit von Nanoteilchen anhand von Zellkulturen nachgewiesen worden, den US-Medizinern gelang nun aber ein Versuch an Mäusen mit Hautkrebs.
->   'Trojanisches Pferd' zerstört Krebszellen von Innen (15.11.01)
Dendrimere als Transport-Vehikel
Konkret wurden die Teilchen im Blutkreislauf von Mäusen transportiert, verließen ihn wieder und gelangten in die Krebszellen, wo das mitgenommene Krebsmittel eine messbare - weil das Wachstum verzögernde - Wirkung entfaltete.

Als Transportmittel verwendeten die Forscher Dendrimere, also stark verzweigte Molekülketten.
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Dendrimere
Die von den Forschern verwendeten Dendrimere haben zwei Vorteile: Mit weniger als fünf Nanometer Durchmesser können sie durch Zelloberflächen schlüpfen. Und durch ihre baumartige Struktur verfügen sie über zahlreiche "Äste", an denen die Wissenschaftler verschiedene Moleküle - darunter auch Medikamente - anbringen und dadurch in die Zelle schmuggeln können.

An einen Teil dieser Äste hängten die US-Forscher Folsäure-Moleküle, an einen anderen Methotrexat, ein Krebsmittel.
->   Mehr über Dendrimere in Wikipedia.de
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Folsäure öffnete das Tor zur Zelle
Sobald die Nanopartikel im Körper zirkulierten, banden sich die Folsäure-Moleküle an die Rezeptoren der Krebszellen, wodurch das gesamte Teilchen inklusive Krebsmittel in die Zelle gelangte und dort seine Wirkung entfaltete.

Jene Teilchen, die in der Blutbahn blieben und nicht von Krebszellen absorbiert wurden, wurden von den Nieren ausgefiltert und über den Urin ausgeschieden. Es gab keine Anzeichen, dass die Nanopartikel in das Gehirn wanderten oder eine Immunreaktion auslösten.
Vorteile: Geringere Dosis, verlangsamtes Wachstum
Die Forscher sehen in der neuen Methode mehrere Vorteile gegenüber der herkömmlichen Krebstherapie: Erstens könnte die Dosis an Krebsmedikamenten verringert werden, weil bösartige Zellen direkt attackiert werden.

Und zweitens verzögert diese Art der Behandlung das Tumorwachstum deutlich: Bei den Mäusen erreichten die Wissenschaftler eine Verzögerung von 30 Tagen gegenüber jenen Tieren, denen das Medikament ohne Nanovehikel injiziert wurde.

Nachdem Mäuse eine relativ geringe Lebenserwartung haben, könnte das bei Menschen einen Zeitgewinn von mehreren Jahren bedeuten. Auch die Überlebensraten sprachen eindeutig für die Therapie mit Nanounterstützung.
Krebs als chronische - aber behandelbare - Krankheit?
In den kommenden Monaten werden die Forscher an der richtigen Dosis arbeiten und die Anwendbarkeit der Nano-Therapie bei anderen Krebsarten testen. Innerhalb von zwei Jahren sollen klinische Tests folgen.

James Baker von der Universität Michigan und seine Kollegen knüpfen an die neue Therapie hohe Erwartungen: Zwar kann Krebs auch damit nicht geheilt werden, er könnte aber zu einer zwar chronischen, sehr langsam verlaufenden Krankheit werden, mit der die Patienten besser und länger leben könnten, als es derzeit der Fall ist.

Elke Ziegler, science.ORF.at, 14.6.05
->   Center for Biologic Nanotechnology (University of Michigan)
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01.01.2010