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Open Access: Wissenschaft zur freien Entnahme  
  Der Kognitionswissenschaftler Stevan Harnard ist einer der führenden Köpfe der Open-Access-Bewegung, die sich für die freie Zugänglichkeit wissenschaftlicher Fachliteratur im Internet einsetzt. Bei einer Tagung in Wien argumentierte Harnard für das "Self-Archiving"-Modell, demzufolge Forscher selbst für die Archivierung und freie Verfügbarkeit ihrer publizierten Arbeiten sorgen sollen.  
Je mehr gelesen und zitiert, desto erfolgreicher
Anders als Journalisten oder Autoren, erwarten Forscher nicht, dass sie für ihre wissenschaftlichen Artikel bezahlt werden. Was in der "scientific community" zählt, ist, dass sie gelesen und von Fachkollegen zitiert werden.

Je mehr Wissenschaftler zitiert werden, desto erfolgreicher sind sie, desto größer wird ihr Ansehen und der Einfluss auf ihr Forschungsgebiet, so Stevan Harnard. "Die Erfolgschancen steigen, je mehr Menschen Zugriff auf ihre Artikel haben."
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Stevan Harnad sprach am 15. Juni im Rahmen der Konferenz "Chaos Control 2005" in Wien.
->   Mehr über die Konferenz
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Jährlich 2,5 Millionen neue Fachartikel
Zur Zeit werden weltweit jährlich etwa 2,5 Millionen Fachartikel in etwa 24.000 Fachjournalen publiziert, schätzt Stevan Harnard. Der Zugang zu diesem Experten-Wissen, ist gebührenpflichtig und in vielen Fällen sehr kostspielig.
Internet als freie Publikationsmöglichkeit
Sogar finanziell gut situierte Universitäten, Forschungseinrichtungen oder Bibliotheken können sich meist nur eine kleine Auswahl an Journalen leisten, die von den Verlagen in gedruckter oder elektronischer Form angeboten werden.

Mit dem Internet können Wissenschaftler aber nun selbst aktiv werden und ihre Werke online stellen. Das ist der Hintergrund für die "Open Access" Bewegung in der Wissenschaft, so Steven Harnard: "Das bedeutet aber nicht, dass jetzt jeder Wissenschaftler seine eigene Website betreiben muss."
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Besonders in Naturwissenschaften
"Open Access" bezeichnet die kosten- und lizenzfreie Bereitstellung wissenschaftlicher Fachliteratur im Internet. Führend in der Open-Access-Bewegung sind die Naturwissenschaften, da in diesem Bereich die Zeitschriftenkrise der Bibliotheksetats besonders dramatisch ist. Für einen Jahresband einer führenden naturwissenschaftlichen Fachzeitschrift ist in diesem Bereich mitunter der Preis eines Mittelklassewagens zu bezahlen.
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"Subversive proposal" vor elf Jahren
Bereits 1994 verfasste Stevan Harnard das "subversive proposal", in dem er alle Wissenschaftler dazu aufrief, ihre Arbeiten online zu publizieren. Seither wurden zahlreiche Initiativen gesetzt, um die freie Veröffentlichung leichter und effizienter zu gestalten.

Denn wer seine Texte nur als PDF-Files oder HTML-Texte auf die eigene Website stellt, läuft Gefahr nicht gefunden zu werden, so Stevan Harnard.
1999 Durchbruch dank "Open Archive Protokoll"
"Das ist so, wie wenn man seine Arbeit in einem Grab versenkt." Der Durchbruch kam 1999, mit einer neuen Software, dem "Open Archive Protokoll". Mit diesem technischen Protokoll, dem "OAI-Protocol" können wissenschaftliche Arbeiten, die auf verschiedenen Sites publiziert werden, mit "Tags" versehen werden und sich zentral abrufen lassen.

Das hatte zur Folge, dass ein globales, virtuelles Wissenschaftsarchiv entstanden ist, berichtet der Kognitionswissenschaftler. "Man kann nun über eine Suchfunktion alle Artikel finden, die etwa zum Forschungsthema Biologie publiziert wurden, auch wenn die Texte auf ganz verschiedenen Servern einzelner Institutionen liegen."
Peer review wird nicht abgeschafft
Und wo bleibt die Qualitätskontrolle, wenn jeder Forscher auf eigene Faust online veröffentlicht? Das übliche "peer review" muss nicht auf der Strecke bleiben, so Harnard, der in der freien Veröffentlichung im Internet nur Vorteile für die Wissenschaftler sieht.

Argumente dagegen, würden letztlich nur auf Missverständnissen und Ignoranz basieren, meint der Verfechter und Initiator des "Self Archiving" Modells.
Parallele Einreichung bei renommierten Journalen
Er plädiert dafür, dass jeder auf der Website seiner Forschungsinstitution seine Arbeiten frei zugänglich macht. Wer seine Forschungsergebnisse ins Internet stellt, könne sie ja zusätzlich auch bei einem renommierten Fachjournal zum "peer-review" einreichen.

Die "Preprint- bzw. E-Print-Server" seien keine Konkurrenz zur eingespielten wissenschaftlichen Qualitätskontrolle.

Wird eine Arbeit, etwa von "Nature" abgedruckt, lässt sich die überarbeitete Version mit dem erworbenen Gütesiegel ebenfalls online stellen. In Zukunft werden wissenschaftliche Verlage vielleicht nur mehr das Service der "Qualitätskontrolle" durch das "Peer-Review-System" anbieten, spekuliert Stevan Harnard.
Erst 15 Prozent kostenlos verfügbar
Er räumt ein, dass aber bislang erst 15 Prozent aller wissenschaftlichen Artikel im Internet kostenlos abrufbar sind. Eine Quote, die den überzeugten "Open Access" Aktivisten nicht erfreut, denn er sieht darin auch einen politischen Auftrag.

"Es ist eine Möglichkeit, den Steuerzahlern, die die Forschung ja mitfinanzieren, etwas zurückzugeben." Deshalb fordert er, dass Universitäten und Forschungseinrichtungen das Modell des "Self Archiving" mithilfe des OAI-Protocols stärker fördern und sogar verpflichtend einführen.

Ina Zwerger, Ö1-Wissenschaft
->   Michael Nentwich: Plädoyer für "Open Access" in der Wissenschaft
->   Harnard E-Print Archive, Universität Southhampton
->   GNU EPrints - The eprints.org Software
->   Mehr über Open Access
->   Open Archives Initiatives
 
 
 
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01.01.2010