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Wiener Forscher entdeckten Viren in Brustkrebsgewebe  
  Verdachtsmomente darauf, dass an beim Menschen vorkommendem Brustkrebs auch Viren beteiligt sein könnten, hat es schon seit Jahrzehnten gegeben. Wiener Wissenschaftler konnten diese Hypothese jetzt belegen.  
Offenbar spielt dabei das Mouse Mammary Tumor Virus (MMTV) eine gewisse Rolle, berichtete der Wiener Veterinär-Virologe Walter Günzburg erstmals bei der weltgrößten Biotechnologiekonferenz (BIO 2005) in Philadelphia gegenüber der APA.

Die wissenschaftliche Arbeit soll in absehbarer Zeit im Fachmagazin "Cancer Research" erscheinen.
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Vom 19. bis 22. Juni findet in Philadelphia die "Bio 2005" statt, an der 18.000 Personen aus 58 Staaten sowie 1.100 Unternehmen als Aussteller teilnehmen.
->   "Bio 2005": Größter Biotech-Konvent in USA
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Retroviren bei Mäusen und Menschen fast ident
"Man weiß seit langem, dass MMTV an Brustkrebs von Mäusen beteiligt ist. Doch schon vor längerer Zeit hat man auch in Brustkrebsgewebe von Menschen ähnliche Gen-Abschnitte gesehen bzw. ähnliche Proteine."

Bei MMTV handelt es sich um Retroviren (RNA-Viren), die ihre Gene in Zellen einbauen und diese auf die Produktion neuer Viren programmieren. Dabei wird die Erbsubstanz fix integriert.

Günzburg, der mit der von ihm gegründeten Firma Austrianova (Biotech-Start-up) bereits bei Phase-III-Studien mit einer Art Gentherapie gegen Pankreaskrebs angelangt ist, über die Arbeiten am Christian-Doppler-Labor in Wien: "Die Gen-Sequenzen der Viren aus dem menschlichen Brustkrebsgewebe sind zu 99,7 Prozent ident mit jenen der Viren aus Mäusen."
Menschliches Gewebe mit Mausviren infiziert
Doch es hätte ja auch sein können, dass der Mensch irgendwann in seiner Evolution das Erbgut der Maus-Brustkrebs-Viren aufgenommen und in seine DNA eingebaut hat. Die Wiener Experten versuchten deshalb erstmals den Nachweis dafür, dass die Maus-Viren auch menschliches Gewebe infizieren können.

Günzburg: "Die Arbeiten haben zwei Jahre lang gedauert. Wir haben rekombinante MMT-Viren geschaffen, die ein Fluoreszenz-Gen eingebaut haben. Damit konnten wir schließlich eine ganze Reihe von menschlichen Zellen, zum Beispiel aus Brust- oder Gebärmutterhalsgewebe infizieren." Unter dem Mikroskop und einer entsprechenden Lichtquelle leuchteten die Zellen auf.
Zusammenhang mit Tumorbildung noch unklar
Mit der Zeit verbreiteten sich die infizierten Zellen immer weiter im Gewebe. Es kam also zur Virusproduktion und zur Infektion zusätzlicher Zellen.

Aus Untersuchungen an Mammakarzinom-Tumor-Gewebe weiß man, dass 37 bis 43 Prozent der Zellen mit MMTV infiziert sind. Normales Gewebe nur zu fünf Prozent. Die Frage ist, ob die Maus-Viren ursächlich an der Entstehung von Brustkrebs beteiligt sind, also Tumoren hervorrufen.
Begünstigt vermutlich Wachstumsfaktoren des Tumors
Der Wissenschaftler: "Man hat beobachtet, dass die Erbsubstanz von MMTV im ganzen Genom integriert wird, aber häufig in der Nähe von Stellen, die für Zellwachstumsfaktoren kodieren."

Es könnte also sein, dass das Virus durch sein Genom die Produktion von Wachstumsfaktoren und damit das Wachstum von bösartigen Zellen antreibt. Günzburg: "Das wäre ein Weg, den man sich auch beim Menschen vorstellen könnte."

Möglich sei, dass MMTV im Rahmen des über viele Stufen ablaufenden Prozesses in Richtung Krebs an bestimmten Stationen eine zusätzlich fördernde Rolle spiele.
Genvektor für Therapie?
Doch so weit sind die Forscher noch nicht. Was sie aber in MMTV entdeckt haben, könnte in Zukunft für die Gentherapie wichtig werden.

Der Wissenschaftler: "Das Virus könnte ein Vektor sein, mit dem man hoch effizient in Brust- oder anderes Gewebe des Menschen neue Gene hinein bringen könnte." Das Maus-Virus wäre damit eventuell ein sehr gutes "Vehikel" für Gentherapie-Forschung.

[science.ORF.at/APA, 20.6.05]
->   BIO 2005
->   Austrianova
 
 
 
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01.01.2010