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Meisen warnen mit eigenem "Vokabular"  
  Für das ungeübte Ohr ist das Zwitschern der Schwarzkopfmeisen nicht mehr als ein fröhlicher Gesang im Baumwipfel. Dass sich weit mehr hinter ihrem "Tschik-a-di-di-di" versteckt, haben Chris Templeton und Kollegen von der Staatlichen Universität Washingtons in Seattle entdeckt.  
Die weit verbreitete Schwarzkopfmeise (Poecile atricapilla) verfügt demnach über eines der komplexesten Warnsysteme im Tierreich.

Ihre Rufe informieren andere Artgenossen nicht nur generell über eine Gefahr, sondern ganz spezifisch auch über die Art und Größe des Raubtieres sowie die Geschwindigkeit, mit der es sich nähert.
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Der Artikel "Allometry of Alarm Calls: Black-Capped Chickadees Encode Information About Predator Size" von Christopher Templeton, Erick Greene und Kate Davis ist am 24. Juni 2005 in Science erschienen (Band 308, S. 1934-1937, DOI: 10.1126/science.1108841).
->   Science
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"Vokabular" der Warnungen
 
Bild: Science

Wie die Forscher berichten, unterscheiden die kleinen Vögel ganz differenziert zwischen einer fliegenden Gefahrenquelle und einer, die am Boden und im Baum auf sie lauert.

Nähert sich ein Habicht, eine Eule oder auch ein Falke aus der Luft, so reagieren sie mit einem hohen, weichen "sit"-Ruf. Längere und weitaus harschere "tschik-a-di-di"-Rufe dagegen machen auf einen sitzenden Feind aufmerksam.
->   Ruf der Schwarzkopfmeise bei Gefahr durch den Virginia-Uhu (.wav-File)
"di"-Anhänge informieren über Größe und Gefahr
Bild: Science
Pygmäen-Eule
Dabei variiert die Zahl der "di"-Anhänge je nach Größe und Gefahr des entdeckten Räubers. Greifvögel mit kleiner Flügelspannweite gelten den Meisen als die größten Feinde.

Auf eine besonders große Bedrohung wie die Pygmäen-Eule beispielsweise (siehe Bild rechts) regierten die Schwarzkopfmeisen mit bis zu 23 "di"-Anhängen in ihrem Warnruf.

Andere Risiken wurden nur mit fünf, zehn oder 15 "di"-Zusätzen registriert.
->   Ruf der Schwarzkopfmeise bei Gefahr durch die Pygmäen-Eule (.wav-File)
Vögel "mobben" Angreifer
Die "di"-Rufer fordern Verstärkung von eigenen Artgenossen und anderen Vögeln zu einer Abwehraktion an, die die Forscher "mobbing" nennen.

Sie verstehen darunter eine gemeinsame Schimpfkanonade gegen den Eindringling. Auch hier ist die Kommunikation der Gefährlichkeit des Feindes wichtig: Je bedrohlicher er für die Meisen ist, desto mehr Vögel kommen zum lauten Schimpfen zusammen.
Keine Rufe bei harmloser Wachtel
Dass die kleinen Meisen auch genau zwischen Arten unterscheiden, die Gefahr für sie bedeuten oder nicht, leitet das Tempelton-Team aus folgendem Versuch ab:

Er setzte eine ungefährliche Wachtel in der Voliere der Schwarzkopfmeisen aus und beobachtete überrascht, dass kleinen Vögel nicht mit einem einzigen Warnruf reagierten.
Dichotomie der Vogel-Warnungen widerlegt
Mit dieser Forschungsarbeit wurde die Annahme widerlegt, dass Vögel mit ihrem Ruf entweder die Art des Angreifers oder den Grad der Gefährdung kommunizieren. Wie die Schwarzkopfmeisen beweisen, beherrschen sie beides.

[science.ORF.at/APA/dpa, 24.6.05]
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01.01.2010