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Buch entlarvt "Mythen der Ökonomie"  
  Die Steuern sind zu hoch, Arbeit ist zu teuer und private Altersvorsorge ist sicherer als staatliche: Aussagen wie diese zählen derzeit zu den Gemeinplätzen von Ökonomie und angewandter Wirtschaftspolitik. Ein aktuelles Buch versucht ihnen nun Argumente entgegen zu setzen - und sie als "Mythen" zu entlarven.  
"Mythen der Ökonomie" heißt dann auch die Publikation, die eine "Anleitung zur geistigen Selbstverteidigung in Wirtschaftsfragen" liefern möchte, wie der Untertitel verspricht. Provokant wird dabei der ökonomische Hausverstand angegriffen.
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"Mythen der Ökonomie", herausgegeben vom Beirat für gesellschafts-, wirtschafts- und umweltpolitische Alternativen, VSA Verlag, Hamburg 2005
->   Das Buch beim VSA-Verlag
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Beispiel Pensionsvorsorge

Eines der anschaulichsten Beispiele des Buches betrifft die Pensionsvorsorge. Die bekannten Prämissen: Die Menschen leben dank medizinischer und sozialer Fortschritte immer länger, bekommen aber immer weniger Kinder.

Eine Folge dieses soziodemografischen Wandels ist es, dass im derzeit praktizierten Umlageverfahren immer weniger Menschen, die aktiv im Produktionsprozess stehen, für immer mehr Pensionisten aufkommen müssen.

Um den gewohnten Lebensstandard zu sichern, müsse deshalb von der rein staatlich gesicherten Rente vermehrt auf private Vorsorge zurückgegriffen werde, so das gängige Argument.
Alternde Gesellschaft ein Problem von staatlicher ...
Dem halten die Autoren des neuen Buches nun entgegen, dass nur die Hälfte der soziodemografischen Geschichte erzählt wird. Zwar stimme es, dass im Umlageverfahren immer weniger Menschen für immer mehr Rentner Versicherungsbeiträge leisten müssen.

Doch auch im so genannten Kapitaldeckungsverfahren, das heute oft favorisiert wird, spiele die künftige Alters- und Wirtschaftsentwicklung eine entscheidende Rolle.
... und von privater Pensionsvorsorge
Denn wenn alle, die heute eine private Altersversicherung abschließen, eines Tages in Pension gehen, werden sie nur den - prognostizierten - wenigen jungen und erwerbstätigen Menschen gegenüberstehen.

Genau die sollen aber dann ihre Aktien und Anleihen kaufen, mit denen sie ihre Pension genießen wollen. Und nach den Gesetzen der Ökonomie werde das zu einem niedrigen Preis führen - somit zu einer Absenkung des Rentenniveaus.
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Widersprüche heute
Die Autoren machen auf weitere Widersprüche auf, in die sich Menschen schon heute begeben, die in private Versicherungen einzahlen: Auf der einen Seite wünschen sie ertragreiche Anlagen, sprich Unternehmensgewinne. Auf der anderen Seite sind sie als Arbeitnehmer von heute an stabilen Jobs und hohen Löhnen interessiert.
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Staatsverschuldung gut ...
Es gibt noch eine Reihe weiterer "heiliger Kühe", die die Autoren gerne schlachten möchten: Staatsverschuldung etwa halten sie für gut, weil damit nicht nur die - beklagten - Kosten von Investitionen auf zukünftige Generationen übertragen werden, sondern auch deren Nutzen - etwa in Form von Verkehrsnetzen, Krankenhäusern, Universitäten, Schulen oder ähnlichem.
... Arbeit nicht zu teuer ...
Arbeit werde in den untersuchten Ländern Österreich und Deutschland im Vergleich mit den Handelspartnern nicht teurer, sondern immer billiger - und zwar wenn man die Lohnstückkosten als Maßstab nimmt.

Das gelte selbst im Vergleich zu solch vermeintlichen Billiglohnländern wie Ungarn oder Polen.
... und EU-Osterweiterung positiv
Und die Osterweiterung der Europäischen Union habe in erster Linie positive Auswirkungen auf Wirtschaftswachstum und Arbeitsmarkt gehabt - auch wenn es speziell in Bereichen mit geringen Qualifikationsanforderungen zahlreiche Verlierer gebe.

Diese negativen Effekte würden aber nicht an der "Ostöffnung selbst liegen, sondern in der asymmetrischen Verteilung der Gewinne". Die viel beschworene "Zuwanderungsflut" sei bisher jedenfalls ausgefallen.

Der einzige Effekt der Zuwanderungsbeschränkungen für osteuropäische Arbeitnehmer (noch bis 2011), dürfte es sein, sie vom offiziellen Arbeitsmarkt auszuschließen - und sie somit in illegale Beschäftigungsverhältnisse zu drängen.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 29.6.05
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Anlässlich der Präsentation des Buches stellen die Ökonomen Kurt Rothschild, Gabriele Michalitsch und Reinhard Pirker ihre "Lieblingsmythen der Ökonomie" vor.
Termin: Mittwoch, 29. Juni, 18.30 Uhr
Ort: Presseclub Concordia, Bankgasse 8, 1010 Wien
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->   Beigewum
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01.01.2010