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Ein Wirkmechanismus des SARS-Virus geklärt  
  Das SARS-Virus kann tödliche Lungenerkrankungen auslösen. Forscher am Wiener Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) haben nun das Protein entdeckt, das im Körper für die SARS-Infektion verantwortlich ist - und so den Weg für eine neuartige Therapie von akutem Lungenversagen eröffnet.  
Anfang 2003 hat das SARS (severe acute respiratory syndrome) Virus Angst und Schrecken verbreitet.

Knapp 800 Menschen sind an der aggressiven Infektion gestorben, wahrscheinlich waren es die sofort eingerichteten weltweiten Schutzmaßnahmen, die dafür gesorgt haben, dass sich das Virus nicht epidemisch verbreitet hat
Körperprotein hat Schlüsselrolle
Warum wirkt das SARS Virus im Vergleich zu harmloseren verwandten Viren überhaupt so tödlich, indem es binnen kurzer Zeit nach der Infektion zum Versagen der Lungenfunktionen führt?

Diese Frage stand am Beginn der Forschungsarbeiten von Josef Penninger und seinen Kollegen. Ein Protein im Körper ist es, konnten sie nun in zwei Publikationen von "Nature" nachweisen, das die tödliche SARS Infektion überhaupt erst möglich macht: das schon längere Zeit bekannte Protein ACE2.

Vor einiger Zeit wurde dieses Protein in Fliegen entdeckt. Zuerst dachte man, es reguliert nur die Herzfunktion und den Blutdruck, nun hat sich herausgestellt, dass es auch Lungenfunktion und Lungenödeme reguliert. Das ist eine vollkommen neue Funktion, von der niemand etwas geahnt hat, so Josef Penninger.
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ACE2: Für Blutdruck und für Lunge entscheidend
In einem System, das im Körper den Blutdruck kontrolliert, dem "Renin-Angiotensin-System" ist das Enzym ACE schon lange bekannt. ACE-Blocker sind gebräuchliche blutdrucksenkende Medikamente. ACE ist an der Bildung eines kleinen Peptids, des Angiotensin2 beteiligt, das Blutgefäße durchlässiger macht.

Das seit kürzerem bekannte ACE2 tut genau das Gegenteil, es baut Angiotensin2 ab. ACE und ACE2 sind im gesunden Körper in Balance. Die Regulation des Renin-Angiotensin-Systems durch ACE2 ist aber nicht nur für den Blutdruck entscheidend, sondern auch für die Lunge, wie die Forscher um Josef Penninger nun nachweisen konnten. Wird ACE2 - beispielsweise durch eine Vireninfektion inaktiviert - löst das schwere Lungenerkrankungen aus.
->   Renin-Angiotensin-System (Klinik & Forschung)
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SARS-Virus bindet an ACE2
Wenn das SARS-Virus in den Körper kommt, bindet es an das ACE2 Protein und hemmt dessen regulierende Wirkung. So kann es zu akutem Lungenversagen kommen.

In Mausversuchen haben die Wissenschaftler SARS-erkrankten Tieren zusätzliches ACE2 als Medikament verabreicht - und konnten damit deutliche Besserungen erzielen. Das Prinzip könnte als Heilmittel bei Lungenversagen verschiedenster Ursachen funktionieren.
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Penninger und sein Team haben zu dem Thema zuletzt zwei Studien vorgelegt: "Angiotensin-converting enzyme 2 protects from severe acute lung failure" ist in "Nature" (Bd. 436, S. 112, Ausgabe vom 7. Juli 2005) erschienen, "A crucial role of angiotensin converting enzyme 2 (ACE2) in SARS coronavirus - induced lung injury" als Online-Vorabpublikation in "Nature Medicine" (10. Juli 2005; doi:10.1038/nm1267).
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ACE2 als Medikament bei akutem Lungenversagen
"Wir wissen jetzt, wie SARS funktioniert", sagt Josef Penninger. "SARS hat uns gezeigt, wie man andere Erkrankungen therapieren kann. Wenn sich die Versuche aus der Maus auf den Menschen übertragen lassen, dann hat uns SARS plötzlich ein neues Medikament gegeben, das bei Vogelgrippe helfen könnte, bei Sepsis - das also Millionen von Leuten helfen könnte."

In einer eigens gegründeten Firma soll ACE2 nun in Reinform als Medikament hergestellt werden. Diese Entwicklung wird nach Penningers Schätzungen vier bis fünf Millionen Euro kosten.

Wenn alles nach Plan der Wissenschaftler verläuft, könnten in zwei Jahren die ersten klinischen Versuche beim Menschen beginnen.

Birgit Dalheimer, Ö1-Wissenschaft, 11.7.05
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->   WHO zu SARS
->   IMBA
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01.01.2010