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Gewebezüchtung: Fleisch in Labor hergestellt  
  Wenn Stadtkinder demnächst auf die Frage, woher das Fleisch kommt, "aus dem Labor" antworten, muss ihnen wohl Recht gegeben werden: Wie ein Forscherteam berichtet, können kleine Mengen Fleisch bereits künstlich hergestellt werden. Aber bis ein im Labor kultiviertes Steak mit dem entsprechenden Teil vom Rind konkurrieren kann, muss noch an der richtigen Schichtung der Zellebenen gearbeitet werden.  
Erstmals Publikation mit Peer-Review-Verfahren
Die Wissenschaftler um Pieter Edelman von der niederländischen Wageningen Universität stellen in einer aktuellen Publikation zwei Methoden vor, mit denen das Tier durch In-Vitro-Umgebungen ersetzt werden kann:

1) die Züchtung flacher Gewebeschichten, die auf einander getürmt werden, um die Dicke zu erhöhen, und
2) dreidimensionale Gerüste, durch die das Fleisch die richtige "faserige" Struktur bekommen soll.

Erstmals wurde eine entsprechende Publikation in einem renommierten Journal mit Peer-Review-Verfahren veröffentlicht.
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Der Kommentar "In Vitro-Cultured Meat" von Pieter D. Edelman und Kollegen ist in der Fachzeitschrift "Tissue Engineering" (Band 11, Nummer 5/6 2005) erschienen.
->   Zum Originalbeitrag (pdf-Datei)
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Versorgung der Astronauten
Konkretes Interesse an der Züchtung von Fleisch zeigte die US-amerikanische Raumfahrtbehörde NASA:

In ihrem Auftrag arbeiteten Wissenschaftler schon bisher an der Herstellung von Fleisch aus Tierzellen, wodurch beispielsweise bei langen bemannten Raumfahrten die Versorgung der Astronauten sichergestellt werden könnte.
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Züchtung von Gewebe nicht unbekannt
Prinzipiell ist die Züchtung von Gewebezellen weder völlig neu noch in der Wissenschaft unbekannt. Hautzellen von Unfallopfern etwa werden schon länger künstlich vermehrt, um bei großflächigen Verletzungen als Transplantate zu dienen.

Auch Muskel- oder Nervenzellen wachsen zu verschiedensten Forschungszwecken bereits im Labor.
->   Gezüchtetes Herzgewebe soll Infarktpatienten helfen (15.9.04)
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Fleisch mit Fleischgeschmack für die breite Bevölkerung
Das Neue und für viele Menschen im ersten Moment Befremdende an der Arbeit des internationalen Forschungsteams ist, dass sie konkret mit dem Ziel durchgeführt wurde, "essbares Fleisch herzustellen, das wie Stücke vom Rind, Huhn, Schwein, Lamm oder Fisch schmeckt", so Jason Matheny in einer Presseaussendung der University of Maryland.

Ziel sei es, Fleisch in einer Qualität herzustellen, die von Menschen gerne konsumiert würde.
Methode eins: Wachstum auf Membranen
Die Wissenschaftler beschreiben zwei Techniken, die zur Fleischzucht eingesetzt werden können: Bei der einen wachsen Zellen auf einer flachen Membran, wodurch dünne Fleischschichten entstehen. Sie werden übereinander gelegt, wodurch eine dickere fleischartige Substanz entsteht.

Das mit dieser Methode hergestellte Fleisch eigne sich eher für die Verarbeitung zu Burgern oder Würsten, weil es keine typische Faserstruktur ausbilde, erklärt Jason Matheny.
Methode zwei: Dreidimensionale Gerüste
Für Fleischliebhaber attraktiver klingt hingegen die zweite Methode: Dabei werden die Muskelzellen auf dreidimensionale "Gerüste" aufgetragen, wo sie in alle Richtungen ausfasern können.

Die Schwierigkeit liege in der Textur des Fleisches, beschreibt Matheny: Damit sie wie beim Naturprodukt ausfällt, müsste das Gewebe auch regelmäßig gedehnt und zusammengezogen werden - wie bei einem echten Muskel eben.
Umwelt schonen und Inhaltsstoffe bestimmen
Von der Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit sind die Forscher überzeugt. Schließlich wachse weltweit der Bedarf an Fleisch, teilweise allerdings auf Kosten der Umwelt.

Mit dem künstlich hergestellten Fleisch könnte man nicht nur die Abgas-Belastung durch Rinder eindämmen, sondern auch die Inhaltsstoffe gezielt steuern - etwa die ungesunden Fette durch positive Omega-3-Fettsäuren ersetzen.
->   Kyoto-Ziel erreichbar durch weltweites Vegetariertum? (7.7.05)
Forschungsgesellschaft gegründet
Auch wenn die Wissenschaftler zugeben, dass die Produktion von großen Fleischmassen zum menschlichen Verzehr noch Zukunftsmusik ist, sind sie von ihrer Idee voll und ganz überzeugt:

Gemeinsam gründeten sie die nicht-gewinnorientierte Forschungsgesellschaft "New Harvest" ("Neue Ernte"), um die Technologie voranzutreiben.

[science.ORF.at, 12.7.05]
->   Wageningen Universität
->   University of Maryland
->   Aktuelle Infos zum Thema Grillfleisch in help.ORF.at
Mehr zum Thema Zellzüchtung in science.ORF.at:
->   Adulte Stammzellen aus Nasengewebe gezüchtet (24.3.05)
->   Neuartige Kieferprothese im eigenen Körper gezüchtet (27.8.04)
 
 
 
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01.01.2010